Das Tal & andere Verse

Das Tal & andere Verse
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Ein Sammelband an gedichteten Versen. Verfasst durch Mystikerin Tenaar.

Vorwort

Es ist fraglich, ob ein solch kleines Büchelchen überhaupt ein Vorwort benötigt. Ein paar Worte möchte ich dennoch verlieren.

Bezogen auf Lyrik würde ich mich selbst maximal als passable Amateurin bezeichnen; das Attribut ‚gut‘, welches mir bisweilen gegeben wurde, lehne ich daher (wenn auch dankbar) ab. Ich hoffe aber, dass meine kleinen Versuche, mit denen ich nach dem greife, was sich Kunst nennt, zumindest ein wenig unterhalten können.

Aufmerksame Leser werden feststellen, dass die Version der „Gimpelweise“, welche in dieser Ausgabe zu finden ist, am Ende in zwei Versen nicht mit der zuerst veröffentlichten übereinstimmt. Ich habe dieses Gedicht an einer Stelle für diese Ausgabe überarbeitet, um einen Fehler im Reimschema zu korrigieren. In der „Gimpelweise“, und all diesen anderen kleinen Werken, bemühe ich mich darum, meine Liebe zur Natur zum Ausdruck zu bringen. Ob mir dies gelingt sei den Lesern überlassen. In diesem Sinne lasse ich diese Produkte auf eine unvorbereitete Öffentlichkeit los und danke allen, welche eine Winzigkeit an Freude aus ihnen ziehen.

Mystikerin Tenaar

Inhalt


Das Tal

Es war einmal ein grünes Tal,
mit sanften Bäumen, vielen Herden,
darin fürs Pilgersvolk ein Gral
in Tempelform gebaut aus Kristall.
Zu Nachteszeit doch sternenhell,
beleuchtet von des Mondes Strahlen;
denn keiner Dunkelheit ein Quell
war dieses Tal zu Nacht und Tage.
Bei hohen Festen Freudgesang
und sanftes Spiel auf Harfensaiten;
und morgens früh der Glockenklang,
der rief das Volk auf zum Gebete.
Die Blumen standen auf der Flur,
Laternen an der Straßenseite,
von Ruh’ gezeichnet die Natur,
von Würde alte Trauerweiden;
und weit die See mit Salzesduft,
der Fischer Segen, die sie lieben.
Doch heute sieht man eine Gruft,
beleuchtet nicht von Mond und Sternen,
denn Teufelslicht verströmt der Berg
bewachsen einst mit Moos und Blüten.
Kein Hirt’ verbringt sein Tageswerk,
und stumm die Glocken, die einst klangen,
kein Schrein mehr steht, die Häuser leer,
bewohnt von Geistern, die da waren;
erdrückend Asche lastet schwer
in Hälsen jener die dort wandern.
In umnebelter Erinn’rung
da steh’n die alten Weiden
von Trauer tief gebogen
als Schönheit noch zu sehen war;
im Taleswind erschauern,
im Winde wiegend neigen,
als könnten sie die Zukunft schau’n –
und morgens waren Tropfen
auf ihren hängend Blättern;
sie weinten: und ihr Kleid bestand
aus vorgeseh’nem Leid.


Der Schein der Kerze

DIE GEBLENDETE

In der Höhle sitz’ ich, denk’ an
and’re Zeiten, die vergangen.
Einsam bin ich, war es eine
and’re, welche damals feuernd
lebte und verstarb.
War’s ein langsam Sterben über
lange Zeiten (so ich glaube);
fällt’s nicht leicht auch Fremdes loszulassen.
War sie fremd mir?
Oder doch entfremdet nur?

DIE KERZE

Scheint’s der Tod macht vieles fremd
dem Leben.

DIE GEBLENDETE

Mir ist dies bekannt. War’s schrecklich
in den ersten Tagen; Schmerz ersetzte
mir den ganzen Körper, und die
Welt, die wie zum Trotze blühte
wurd’ mit Wurzelwerk aus mir gerissen,
und mein Herz, gereizt von Wunden,
gleich der frisch umgrab’nen Erde,
trank die salzig Tränen schrein’der
Augen, ließen Wasser gleich den
Quellen, und verstopften mir die
Kehle – und die Seele baute
Mauern wider zarter Worte,
war befeuert von der Schwärze.
Doch in Träumen glaubt’ ich manchmal
einen silbern Streifen zu erkennen;
wollte ihm entgegengehen,
doch fiel ich in eine Höhle
und im Wachen schrie ich klagend
„Vater! Vater! Mach es heller!
Vater, Licht!“
Horchte dann in Nachtes Dunkel-
keine Worte war’n zu hören,
und die Decke wurd’ mir steinern,
gleich der Tafel eines Grabes.-
Hörte dann ein heiser Weinen
von der Mutter.
Ist denn etwas hinterm Streifen?
Eisig Winter? Bitt’rer Schneefall?
Sonnensterben? Sprich doch, Vater!
Ist es Tag? Der Sonn’ Erwachen?
Ein neuer Morgen? Der Sonn’ Erwachen?
Ohne ihn? Ein neuer Morgen?
Ohne ihn ist niemals Morgen.
Fehlt er allen! Oder wird ihn
die Vergessenheit ergreifen,
langsam fressen, ihn entstellen-
müde wird es mir im Herzen,
sitz’ ich einsam in der Höhle.

DIE KERZE

Einsam sagst du? Hat mein Leuchten
dich gefunden zwischen Schwärze.

DIE GEBLENDETE

Zwischen Schwärze, in verdunkelt
tiefer Höhle mich gefunden?

DIE KERZE

Stehe zwischen Unter- und der
Oberwelt; und meine Flamme
hat dich leise aufgedeckt. Du
bist nicht einsam, Wärme spend’ ich.

DIE GEBLENDETE

In der Höhle, nicht alleine
bin ich reich und wärmer wird’s mir.
Vor der Zeit der feuernd Schwärze
war’n noch alte Wege unter
meinen Schritten, und das Feuer
meines Herzens andern zugewandt; doch
wurd’ es dunkel, all’ Gefühle
wurden mir zerdrückt durch Mauern
meiner Seele – und nichts rührte
jene Wände; weiß nicht ob sie
standen Jahre, standen Tage?
Doch die Wärme die du spendest
lässt mich denken an die
hellen, bess’ren Tage als ich
wandert über grün und frische
Gräser, Felder und durch Wälder
meiner Jugend; wurd’ ich müde,
wollte schlafen, gab es Hände
die mich trugen gen des Heimes,
über Feld, durch Wälder, war ich
ihnen keine Last; und meine
Augen lasen gerne Verse
die geschrieben von denselben
Händen – nur Erinnerung ist
mir verblieben, schwere Last. Doch
horch! Ich glaub’ ich höre Lieder-
sind’s Gesänge kleiner Steine?
Ist’s das Gluckern fröhlich’ Wassers?
Oder flüstern Winde in den
Blättern? Ist’s dein Knistern, Kerze?

DIE KERZE

Kann’s auch sein dein eigen Feuer.
Kannst’s erkennen, wenn du gehst, verlassen
musst dafür die Höhle, und mein
Leuchten kann dir Wege weisen.

DIE GEBLENDETE

Werd ich’s wagen; in der Höhle
war es sicher, doch so dunkel.
Sag mir eines: Werd ich finden
meine Heilung von den Schmerzen?

DIE KERZE

Vielleicht.


Formica

Nun auf, nun auf! zur frischen Tat!
Der Morgen wacht, der Abend naht.
Zehnhundert fasst das Bataillon,
die Arbeiter marschieren schon.

Von Meisterhand gehäuftes Werk,
aus Holz und Erd’ ein wahrer Berg-
das Schöpfervolk nach draußen dringt,
Befehle stumm vernommen sind:
‘Die Straßen mir mit Klugheit legt!,
und meine Länder sauber pflegt,
und neue Küh’ von Blättern pflückt,
mir meinen Hof so reich bestückt.
Entsendet Späher fern und weit!
Möcht’ hören jede Neuigkeit,
und wissen and’rer Reiche Maß und Rand,
damit ich lenken kann mit kluger Hand.
Soldaten sollen sichern mir,
die Grenzen und auch meine Tür;
die Straßen, die von uns führ’n,
um deren Schutz sollt euch bemüh’n.
Nun auf, nun auf! zur frischen Tat!
Der Morgen wacht, der Abend naht.
Zehnhundert das Soldatenheer,
die Arbeiter sind noch viel mehr.’

Mit Eifer schwärmt das Volk vom Berg,
zu starten langes Tageswerk;
der Straßenbau mit Müh’n versehn’n,
und lange sollen sie besteh’n:
denn Ordnung muss im Lande sein,
hinfort mit Stöcken und Gestein!

Was Chaos scheint, hat hohen Sinn
und jeder weiß, woher, wohin;
das Essen kommt auf Straßen nur,
getragen wie auf einer Schnur,
die wichtig Nahrung für die Kinderschar
und deren Hunger nie zu stillen war.
Soldaten wandern auf und ab,
entschlossen sind sie, niemals schlapp,
sind Wen’ge nur die wagen sich
zu nähern ihrem Biss und Stich.
Nun auf, nun auf! es wird bald Nacht!
Der Mittag zieht, der Abend wacht.
Zehnhundert steh’n der Welt zum Trutz,
den Arbeitern der einzig Schutz.

Was Schwarzes nun im Himmel thront,
und keiner wird von ihm verschont:
ein dicker Ball aus Wasser klar
erzeugt Gewusel fürchterbar,
das Trommelfeuer Panik treibt,
von Schutz und Ordnung nichts mehr bleibt.
Den Straßenmeister trifft das Los,
die andern hilf- und fassungslos,
er kommt nicht frei, ist wie in Haft,
ertrinken wird er grauenhaft.
Sie fliehen ängstlich zu dem Berge hin,
der bangen Hast zum Trotz gibt’s kein Entrinn’:
Noch weit’re trifft der Schicksalsschlag,
es trifft das Volk im Herzen arg,
zu seh’n Geschwister die vergeh’n
doch hilft kein Wimmern und kein Fleh’n.

Nun auf, nun auf! die Nacht erwacht!
Der Abend brachte Niedertracht.
Achthundert kehr’n zum Bau zurück,
die Arbeiter verließ das Glück.

In Gängen bleibt die Trockenheit,
nun braucht es alle Schnelligkeit:
‘Die Brut in höh’re Höhlen legt!,
derweil der Berg durch Regen bebt.
Das Futter mir ins Trock’ne bringt!
Bevor uns alle Zeit verrinnt.
Soldaten, sorgt für guten Lauf!
Es wird vergeh’n, ihr gebt nicht auf.
Denn Morgen ist ein weit’rer Tag,
was er uns Schönes schenken mag!
Solch’ Wetter trutzten wir in früh’rer Zeit,
und doch: wir wurden nicht Vergangenheit.
In unserm Bau, da bleibt es warm,
sind sicher hier und fern der Harm.
Wir besteh’n bis in Ewigkeit,
und kennen wird uns jede Zeit.

Nun Ruh’, nun Ruh’! es dämmert bald!
Die Nacht ist keine Schreckgestalt.
Achthundert werden mutig sein,
mit Arbeitern in Sonnenschein.’


Sokari und Sodlaida

Die Mutter sitzt an Nestes Rande,
dem horchend Küken sanft erklärt:
„O Sokari, der Schwerkraft Bande
wir könn’ durch Federkraft entflieh’n;
und keins der garst’gen Bodenwesen
kann folgen uns ins Wolkenmeer.
Wir Vögel dazu auserlesen,
zu sein des Himmels singend Volk;
und eines Tages wirst du mit mir
am Himmel fliegen, Sokari!“
„Ach eines Tages werd’ ich mit dir
am Himmel fliegen, Sodlaida!
Wir können doch der Schwerkraft Bande
durch uns’re Federkraft entflieh’n!“

Die Mutter zieht durch Waldeslande,
zu suchen Nahrung für das Kind;
und Sokari, begierig schauend,
verfolgt der Mutter schnellen Flug –
und irrig eig’ner Kraft vertrauend
dann krabbelt an des Nestes Rand.
Schon macht es sich bereit zum Sprunge,
da kehrt die Mutter flugs zurück
und spricht ermahnend und in Sorge:
„O Sokari, so mäßig dich!
Dein Kleid vermag’s nicht dich zu tragen
in Himmels blaues weites Reich!
Du könntest noch mit Flügeln schlagen:
doch deine Muskeln sind zu schwach.
Noch kannst du nicht an meiner Seite
am Himmel fliegen, Sokari!“

Das Küken sieht jedoch ins weite
und blau und ferne Wolkenreich;
und als die Mutter wieder fliegend
auf lange Suche geht für’s Kind,
der Wunsch zu fliegen dann obsiegend
verführt das Küken an den Rand.
Die Mutter kann es nicht aufhalten,
das Küken in die Tiefe schaut;
versucht die Federn zu entfalten
und streckt die Flügel aus zum Flug.
Einfach erscheint der Mutter Gleiten:
„Nicht hören muss ich Mutters Wort!
Muss warten nicht auf spät’re Zeiten!“

Ein Sprung – und kurz noch scheint es richtig,
ein tückisch Wind es oben hält,
das Wort der Mutter – falsch und nichtig? –
vergessen ist im Glücksgefühl.
Dann endet’s Brausen fieser Winde,
dem Küken wirkt die Welt erstarrt;
dann schnellt vorbei des Baumes Rinde,
das Küken kann nur schreien, schrei’n;
es fällt vom Stolz in tiefste Tiefe,
auf harten, kalten Erdengrund.

Ein leiser werdend Rufen hallt durch
des Waldes zitternd Zweigewerk:
„O Sokari!
O Sokari!
Wo bist du nur?
Wo bist du nur, O Sokari?“


Ein Teich

Dämmerung die Ruhe find’,
Morgen ist erwacht;
Strahlen durch die Zweig’ der Lind’
zeigen, dass die Sonne lacht.

Stille liegt er in dem Glanz,
rohrumwachs’ner Teich;
Fischlein kreisen wie im Tanz
in dem klaren Wasserreich.

Sonne diesen Spiegel küsst,
öffnet Blumen blau;
Spinne baut im Schilf Gerüst,
zarte Fäden, klug und schlau.

Geht ein Windhauch durch das Rohr,
ein Geflüster leis’;
horche dann dem Gräserchor,
steht in einem Zauberkreis

um den Teich im Morgenschein,
singt nur Friede, Fried’:
soll doch all’ ganz stille sein,
das ist, was Natur mir riet.


Epigramm von Thanai

Dämmernd die Welt, und gerötet der Himmel am Morgen,
Meine Seele ruht. Ferne der Pfad mich verführt
Zu dem Strande hin; erblaut die Sicht durch gewaltig
Weite Wildheit vom Meer. Bannt den verzauberten Blick,
Welcher müd’ zuvor nun erwacht. Wie frisch der befreiend Atem
Der gegeben vom Wind! Und wie beflügelt erhebt
Sich mein Geist den Möwen gleich – die Augen erfassen
Eine Erhebung im Bild. Knirschend der Sand auf dem Strand
Unter meinem Schritt. Freunde, lasst uns doch sehen
Was denn mag dort steh’n. Schrift ist gemeißelt in Stein
Alte Handwerkskunst, die lang erprobt bis in Ewig-
keit besteht. Auf dem Steine las ich folgende Worte
Im erhellend Licht, Morgen verfloss in der Zeit:

“Grob die gehäuften Körner, und mit dem Steine verwoben,
Flattern, bis heute grün, einige Kränze von Laub.
Wanderer, lass mich erzählen, wessen Gebeine hier ruhen:
Thanai wurd ich genannt, feurig verliebt in die See.
Freunde, an dem Ufer begrubt ihr mich. Möwen erklingen
An dem traurig Mal einer Ertrunkenen leis.
Schaudernd noch hör ich’s Rauschen geliebter Wogen. Doch seid mir,
Wanderer, froh gegrüßt, so ihr Thanai beweint.”


Klapperstorch

Wolkig weiß sein einzig Kleid,
schwärzlich sind die Spitzen nur.
Eisig blau das Augenlicht,
und er führt ein Flammenschwert.

Feurig auch das Beinespaar,
in dem er in Ruhe steht.
Weit das grün und nasse Moor,
und er dessen Majestät.

Wie ein Blitz fährt er hinab,
und die Klinge findet Ziel;
zappelt noch das Beutetier
doch in Bälde ist es hin.

Stakst dann weiter durch das Moor,
Eh’ der Blick gen Himmel geht;
er entschwebt mit kräft’gem Schwung
nur sein Bild verweilt in mir.

Droben dreht er sicher Kreise,
Oder fliegt er zu den Kindern?
Mag’s auch sein das ich ihn träumte –
doch er geht nicht mehr aus meinem Sinn.


Meditationen

Am See ein Baum, beim Baum ein Loch,
darin ein Frosch, verschlafen noch.
Sein Traum ein Strahl in tiefster Nacht,
der Stumpfe weint, der Weise lacht –
und niemals wird es anders sein.

Auf den Tieren sitzen sie,
Reiter, die sich wünschen Ruhm;
auf den Satteln, mit der Peitsch’
führ’n sie mit Gewalt das Tier.
Einer doch hat ander’n Sinn:
Ohne Sattel, ohne Peitsch’,
in der Einheit mit dem Tier
wird er siegen voller Ruh’.

Im Gedenken an den Tod
weinen viele bitterlich;
haben Angst dann vor der Zeit
oder wünschen was verging.
Einer doch hat ander’n Sinn:
Möchte sein wie fallend Obst,
dass dem Baum die Zeiten dankt
die es an ihm durfte sein.

Am See ein Baum, beim Baum ein Loch,
darin ein Frosch, verschlafen noch.
Sein Traum ein Strahl in tiefster Nacht,
der Stumpfe weint, der Weise lacht –
und niemals wird es anders sein.

Manche sind gleich wildem Stier,
rennen blind die Wände an;
halten Sanftmut sinnbefreit,
Stärke halten sie für Macht.
Eine doch hat ander’n Sinn:
Starke Winde brechen nicht
biegsam Halme auf dem Feld;
Wasser formt sich nach dem Grund.

Viele woll’n erzwingen gern
ihren Willen in der Welt;
jäten was Unkraut genannt,
“Nutzen” heißt ihr Augenglas.
Eine doch hat ander’n Sinn:
Liebt den krumm gewachs’nen Baum,
in der Ruhe macht sie nichts
und doch bleibt nichts ungetan.

Am See ein Baum, beim Baum ein Loch,
darin ein Frosch, verschlafen noch.
Sein Traum ein Strahl in tiefster Nacht,
der Stumpfe weint, der Weise lacht –
und niemals wird es anders sein.


Von dem Regen

Heute muss der Regen gießen
Baum und Blatt und Gräserfeld;
fallend Wasser werden fließen
aus geöffnet Himmelszelt.
Frei die Winde wilde toben,
dumpfes Grollen Zeichen ist
für die schwarzen Wolken droben,
dass der Regen Erde küsst.
Tief die Wolken hängen schwere
und das Dunkel ewig dräut –
Wasser, Wasser, gleich dem Meere,
muss die Welt begießen heut’.

Froh der Boden grüßt den Regen,
nimmt ihn auf wie trock’ner Schwamm;
denn die Pflanzen muss er hegen –
wird zuerst zu schwimmend Schlamm.
Weh! O wehe! Winde rütteln
an des Baumes hoch Geäst;
droht der Brut das wilde Schütteln,
doch die Mutter schützt das Nest.
Auch auf Berge fällt’s in Menge,
sind der Härte alt Symbol,
steh’n in Würde und in Strenge:
feste sind sie, noch nicht hohl.

Wo kein Weg, da ist ein Wille!
und das Wasser macht sich Bahn
durch der Berge ernste Stille:
Pfade, wo einst Felsen war’n.
Regentropfen in den Spalten
wandeln harten Fels in Sand;
sind durch niemand aufzuhalten,
zieh’n auch Jahre durch das Land.

Schwach ein Licht am frischen Ende,
Wasser springt aus Dunkelheit:
Gibt dem Boden Wasserspende
und erlöst von Trockenheit.

Nach dem Gusse klar’n sich Wolken,
Ruhe legt sich über’s Land,
denn sie muss dem Lärme folgen –
ist Natur noch übermannt?
Scheu sich regen kleine Häuschen,
zieht es sie zum Blätterfest;
und geschwinde graben Mäuschen
Neuzugang zum Höhlennest.
Würmer bringt die Mutter schnelle
rufend hungernd Küken dar;
nach dem Sturme scheint es helle:
Sonne, wo einst Regen war.


Neskua

Des starren Mondes kaltes Licht
ist silbern auf den See gelegt.
Mein Boot die einsam Ruhe bricht,
das Paddel durch das Wasser fegt.

Ein fremdes Licht, ein fremder Laut –
begleiten meine Suche schwer,
ein kühler Wind verschreckt die Haut,
das Herz jedoch ist trüb und leer.

Auf fremden Pfaden liefst du fort
und niemand mehr kann finden dich;
gewinnen will ich diesen Ort
wo du nun wohnst – doch ohne mich.

Ist da ein Weg der bringen kann
mich zu dir oder dich zu mir?
Will liegen in den Armen dann –
ich brauch’ die Wärme, denn ich frier’.

Ich möcht’ dir zeigen neues Heim,
dein Strahlen seh’n gleich hellem Stern
in Wassers treulich Widerschein;
und nahe wärst du, nicht mehr fern.

Kein Stern da liegt in Wasser klar;
mein müd’ Gesicht nur kommt hervor,
an fernem Ort bist du – nicht nah;
und nichts ist mehr als wie zuvor.

Ich denk’ an hager-grau Gesicht,
vom Wasser grausam mir gezeigt
im eisig-kalten Mondenlicht,
es ähnelt dir und bess’rer Zeit –

Ja, doch –

Du bist nicht fort;

gegeben nicht zum Totenstaub:
erblick’ ich mein gespiegelt Bild,
dann seh’ ich einen Schemen dort,
erhaben und entrückt;
denn nah bist du trotz fernem Ort –
und von der Seele Leinwand kann
das Bild von dir nicht zieh’n.


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