
Eine naturwissenschaftliche Gegenüberstellung
Gekürzte Fassung
Inhalt
Vorwort
Licht und Leere, Ordnung und Unordnung, Leben und Tod. In diesen Kräften unterteilen wir den Kosmos aus den Aufzeichnungen der Titanen. Kräfte, die abhängig von Perspektive oder Erlebnissen in verschiedenen Charakteristika unterwiesen werden. Gut oder böse, richtig oder falsch, perfekt oder schlecht, positiv oder negativ. Ganze Glaubensgemeinschaften bedienen sich dieser Einteilung, um im Namen des Guten die bösesten Maßnahmen gegen das Böse zu rechtfertigen.
Oft wird dabei den kosmischen Urgewalten ein Willen, manchmal eine mentale Präsenz, wie die eines gottgleichen Richters unterstellt. Immerhin ist unbestreitbar, dass kosmische Kräfte Einfluss auf emotionale, motorische und kognitive Funktionen haben können. Doch entspricht es der Wahrheit, daraus einer Urgewalt einen Willen zu unterstellen? Will das Wasser die Erde erodieren? Will das Feuer das Haus verschlingen? Oder sind dies alles nur Ausdrücke ihrer elementaren Repräsentanten, die sich aus der Kraft selbst manifestieren? Ein Schamane hätte auf solche Fragen ebenso schnelle Antworten parat, wie ein Priester des Lichts in seinem Sphärenbereich.
Diese Abhandlung verwendet daher einen naturwissenschaftlichen Ansatz, den kosmischen Konflikt der Urgewalten darzustellen, der sich in den Köpfen der Bewohner unserer Welten manifestiert.
Von Licht und Schatten
Aus dem Mythos der Titanen wissen wir:
„Bevor das Leben begann, bevor der Kosmos Gestalt annahm, gab es Licht … und es gab Leere.“
Dies entspricht dem Beginn unseres Kosmos, den ersten beiden Urgewalten. Ferner verbinden die Titanen Begriffe wie „Symphonie, Freude und Hoffnung“ mit dem Licht, während die Leere als dunkle, vampirische Kraft, die „sämtliche Energie verschlingen wollte, um die Schöpfung umzukehren“ betitelt wird.
Mit anderen Worten: die Titanen, so logisch und rational diese Wertung der Ordnung auch betrachtet werden mögen, verwenden Sprache, die große Vorurteile impliziert. Aus guten, verständlichen Gründen, dazu jedoch später mehr.
Betrachten wir den gesamten Schöpfungsmythos durch die Brille eines Naturwissenschaftlers, fallen uns Ähnlichkeiten auf, die wir aus der Thermodynamik kennen. Vereinfacht ausgedrückt:
• 0: Gleichgewicht: Zwei Systeme, die im Energieaustausch zueinanderstehen, streben immer einen thermodynamischen Gleichgewichtszustand an.
• 1: Energieerhaltung: Energie in einem abgeschlossenen System ist konstant und kann weder erschafft noch vernichtet werden.
ΔH = ΔU + p*ΔV
• 2: Richtung: Energie fließt immer nur in eine Richtung. Von warm nach kalt, von Ordnung zu Unordnung.
(ΔS Reaktion) = (∑S Produkte) – (∑S Edukte)
S0 = – ΔH/T
• 3: Absoluter Nullpunkt: Ein Stoff kann nicht auf den absoluten Nullwert abgekühlt werden.
Betrachten wir unseren Kosmos als ein geschlossenes System, in dem die Leere den Zustand größter Unordnung und das Licht als der Zustand größter Ordnung sind, dann ist ein Konflikt beider Kräfte ohne die Notwendigkeit eines Willens nötig, sondern reines Naturgesetz.
Wodurch auch verständlich wäre, warum die Titanen als Wesen der Ordnung die Leere als Bedrohung wahrgenommen haben.
Dem aufmerksamen Leser mag hierbei auffallen, dass die Begriffe „Ordnung“ und „Unordnung“ in der späteren kosmischen Entwicklung noch relevant werden, doch bleiben wir erst einmal bei „Licht“ und „Schatten“.
Ersetzen wir die Begriffe „Licht“ und „Schatten“ mit „Kreation“ und „Entropie“ als ihre Maximalzustände, ergibt sich laut der Thermodynamik eine existenzielle Abhängigkeit.
Das Licht mag erschaffen, was es will, doch ohne das Potenzial eines Endes herrscht nicht einmal ein Ziel, auf das sich etwas hinbewegen könnte. Es herrscht Stillstand. Licht und Schatten bilden damit zwei verschiedene kosmische Konstanten.
Raum und Zeit werden durch die Geschwindigkeit des Lichts geordnet (*). Es kennt damit nur eine Richtung, die Leere kennt alle. Was sich gleichzeitig in den dogmatischen Grundhaltungen von Glaubensgemeinschaften wiederfindet, wie in Überlieferungen der Astralen. Darin heißt es: „Das Licht sucht einen Pfad und verdammt alle anderen als Lüge, während die Leere jeden möglichen Pfad sucht und sie alle als Wahrheit sieht.“
Bleiben wir bei unserer naturwissenschaftlichen Betrachtung, kann man sich das Zusammenspiel von Licht und Schatten wie eine Uhr vorstellen. Das Licht erschafft die Mechanik mit all ihren Funktionen, die Leere hingegen kennt alle Pfade, auf denen die Uhr zum letzten Mal ihre letzte Stunde schlägt.
Anders gesagt: Das Licht beschreibt den Beginn der Uhr, die Leere beschreibt alle Formen ihres Endes. Ohne Licht gibt es nichts, was sich bewegen könnte – und ohne die Leere kein Ziel, auf das sich etwas hinbewegen kann. Das ist der kosmische Konflikt von Licht und Leere auf allein naturwissenschaftliche
(*) OCC: Relativitätstheorie
Von Ordnung und Chaos
„Die instabilsten Energien verschmolzen zu einer Astraldimension, bekannt als der Wirbelnde Nether. Licht und Leere stießen an den Rändern dieses Reiches aufeinander und flossen ineinander über, was endloses Chaos erzeugte.“
Doch wie passen Chaos und Ordnung in diese Formel, wenn die Leere schon als absolute Unordnung besteht? Bleiben wir bei unserer naturwissenschaftlichen Betrachtung, dann beschreiben Licht und Leere Anfang und Ende, Ordnung und Chaos hingegen den Fluss der Kraft, die nötig ist, diese Zustände zu erreichen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass diese Urgewalten erst nach Licht und Leere entstehen konnten. Auch hier lassen sich die aus dem Mythos in naturwissenschaftliche Beobachtungen unterteilen: Chaostheorie und Determinismus.
Determinismus beschreibt die Sichtweise, durch die alles im Kosmos vorhersehbar wäre, wenn man nur alle verfügbaren Informationen hätte. Bestes Beispiel dazu dienen wohl Wettervorhersagen. Diese bedienen sich (außer in Sturmwind, dank des Turm von Azoras) verschiedenen Modellen, die versuchen auf klimatischen und meteorologischen Daten eine möglichst präzise Vorhersage zu treffen.
Für nähere Informationen wird dem Leser empfohlen, einen Hellsichtmagier, wie Lillith Sheppard zu fragen. Schlicht der Grundsatz ist relevant: Alle verfügbaren Informationen erlauben alles vorherzusagen.
Chaostheorie hingegen wird häufig mit Unordnung an sich oder Willkür verwechselt, dabei ist sie genau das nicht. Die Chaostheorie beschreibt schlicht die Existenz von unendlich vielen Zuständen bei selbst kleinsten Veränderungen der Ausgangsposition. Bestes Beispiel ist hier das Doppelpendel. Am unteren Gewicht eines Pendels wird ein weiteres befestigt und in Schwung gebracht. Die Beeinflussung zweier Pendel allein ist dabei schon derart gewaltig, dass eine vorhersage, der Bewegungsmuster bei möglichst gleichmäßigem Ausgang geradezu unmöglich ist – und das sind nur zwei Pendel.
Andere Beispiele sind Darstellungen des Apfelmännchens, die unendlich komplexe Muster zeichnen können. Kurzum: wenn Ordnung einen linearen Fluss von Energie darstellt, dann ist Chaos die unvorhersehbare Variation, mit derart unendlichen Möglichkeiten, dass eine Kalkulation unmöglich wird. Einer der Gründe, warum die Titanen die Dämonen versuchten, fortzusperren.
Doch wir wissen, Energie kann nicht vernichtet, nur umgewandelt werden – und wenn Licht und Leere Ordnung und Chaos durch ihre pure Existenz hervorbrachten, dann sind beide Kräfte ein unumstößliches Produkt. Anders gesagt: Ihre Energie bleibt unabhängig von der Größe des Raumes, den sie einnehmen, erhalten. Was umso deutlicher wird, wenn wir das historische Ergebnis der titanischen Bemühungen betrachten. Wenn die Titanen die Dämonen eindämmten, weil sie sie nicht zerstören konnten, dann haben sie diese nicht beherrscht, sondern die gesamte kosmische Gewalt des Chaos auf einen einzigen Planeten konzentriert. Eine Betrachtungsweise, die die Frage aufwirft, ob die Titanen ihr eigenes Ende durch ihre eigenen Handlungen nicht selbst erst auslösten – und die Brennende Legion nicht einfach ein Ergebnis kosmischer Stabilisierung aus einer Singularität bedeutet hat.
Von Leben und Tod
Mit Licht und Leere, Ordnung und Chaos haben wir Anfang, Ende und die Energieverteilung. Was fehlt, ist das ausführende Element – und hierfür muss ein weniger bekannter Begriff aus der Informationstheorie verwendet werden: Negentropie. Dieser Begriff wird häufig als das Gegenteil von Entropie vereinfacht, ist jedoch durchaus komplexer. Negentropie beschreibt eine Zunahme von Ordnung, die durch die Zunahme der Unordnung beschleunigt wird. Vergleichbar mit einem Katalysator, durch den eine Reaktion beschleunigt wird. Und wenn wir auf die Geschichte des Lebens blicken, dann bringt – rein naturwissenschaftlich betrachtet – nichts mehr Unordnung als die Existenz von Leben.
Als „Leben“ betrachten wir hierbei in seiner Beschaffenheit Organismen, die aus einer Vielzahl kleinerer Organismen bestehen, die ihrerseits einen Stoffwechsel vornehmen. Zellen, die zu Mehrzellern werden, hin zu mikrobischen Lebensformen und irgendwann Pflanzen, Tiere und Humanoide.
Jeder für sich ein kleiner Generator, der als geordnetes Konstrukt die kosmische Unordnung beschleunigt. Jedes Lebewesen unterliegt damit den kosmischen Gesetzen von Anfang und Ende: von Geburt und – und Tod.
Über den Tod lässt sich nach den Ereignissen von Nordend und dem gebrochenen Himmelszelt mehr berichten, als diese Abhandlung umfassen könnte. Schon allein, dass damit eine weitere kosmische Perspektive Einzug halten kann.
Daher wird dieser Abschnitt vereinfacht, vor allem, damit diese Abschrift in Sturmwind veröffentlicht werden kann, ohne sich §13 Ketzerei GdKS nicht schuldig zu machen
Nur soviel sei gesagt: Leben und Tod bilden zwei Systeme desselben Katalysators und bedienen sich hierfür ebenso einem Grundsatz des Energieflusses und der Energieverteilung. Ein Modell des Kosmos im Kleinen.
Die Realität
Die Realität ist das Produkt dieser Urgewalten, inklusive ihrer Subsysteme und derer eigenen Produkte. Betrachten wir die Vielfalt unserer Welt, finden wir die Grundzüge ihrer Interaktion überall in unseren Naturgesetzen und ihre Einflüsse in den Köpfen der Bewohner der Welt. Dabei kann keine einzige der großen Naturgewalten ohne die anderen existieren. Welche moralische oder ethische Bedeutung man ihnen auch zuschreiben mag, muss unter Berücksichtigung der Naturgesetze eingestehen, dass sie eine Notwendigkeit darstellen. Jede Urgewalt hat ihre eigene Sphäre, Aufgabe und Einfluss auf die Realität. Ob dies gut ist oder böse, richtig oder falsch – das ist eine Frage, die in dieser Abhandlung nicht behandelt wird.
Auffallend ist dabei jedoch eines: Entgegen aller Kräfte der Urgewalten besitzen wir eine Fähigkeit, die ihnen und ihren Botschaftern rein von der Existenz her unmöglich ist: Kooperation.
Denn die Urgewalten des Kosmos sind weder das Eine noch das Andere.
Sie sind.