Geschichten einer Abenteurerin – Band 7

Geschichten einer Abenteurerin – Band 7
Das siebte Buch einer Reihe von Nacherzählungen zu den Erlebnissen von Kari Sha’thar. Dieses Buch trägt den Titel: "Die Falkenklingen - Die kleine Heldin".

Die Falkenklingen – Die kleine Heldin

Prolog

Ich bezeichne dieses Abenteuer gerne nach einer der Hauptprotagonisten, da das Abenteuer ohne sie so nicht hätte stattfinden können und der Erfolg vermutlich gegen Null tendiert hätte. Es war der erste Auftrag, den ich mit der kleinen Heldin durchführte und der ihr diesen Spitznamen einbrachte. Und anhand des Namens kann man wohl sehr gut feststellen, wie sehr sie mich beeindruckt hatte.

Die kleine Heldin ist eine junge Menschenfrau mit einer düsteren Vergangenheit, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Ihre Vergangenheit war es aber, die in ihr das Verlangen weckte, anderen Leuten zu helfen, sogar ohne Belohnung, wenn es für sie eine gerechte Sache war. Sie hat Kraft und Köpfchen, doch leider benutzt sie jenen manchmal ein wenig zu viel. Man kann auch zu lange über eine Sache nachdenken und sich dadurch letztendlich Handlungsunfähig machen. Das musste ich bei ihr in der Zeit nach diesem Auftrag leider mehrfach beobachten. Sie war noch recht unerfahren – nichts verwunderliches mit diesen jungen Jahren – und musste noch viel lernen. Leider hatte sie jedoch das Talent, oder eher den Nachteil, sich nie wirklich auf ihr Training zu konzentrieren und so ihre Ausbilder teils in den Wahnsinn zu treiben. Und unter den Ausbildern war so manch beeindruckender Name, wie zum Beispiel Ena, unsere Anführerin, die sich selbst um die kleine Heldin kümmern wollte. Auch ich hatte mich mal versucht, auch wenn unsere Kampfstile sehr unterschiedlich sind. Mir ging es jedoch weniger um den Kampfstil, den ich ihr beibringen wollte, sondern mir ging es um die Tatkraft, um das Fokussieren auf ein Ziel. Hätte sie diese Dinge erlernt, dann wäre der Rest wie von selbst gekommen. Aber auch ich scheiterte an ihr.

Aber genug von der kleinen Heldin erzählt, kommen wir zu dem Auftrag zurück. Diesen führten wir tatsächlich ohne Ena aus, was hin und wieder auch mal vorkam. Bei den Falkenklingen gab es keine richtige Befehlshierarchie, war Ena da, kommandiere sie, war sie nicht dabei, dann hatten wir das unter uns auszumachen. Das führte zumeist dazu, dass ich den Plan mir ausdachte, wie wir vorgingen und am Ende den Auftrag leitete. In unserer Einheit waren meine Pläne gefragt, anders als bei Einsätzen, die ich außerhalb der Falkenklingen geführt hatte. Da meinte man es häufig besser zu wissen, nur um am Ende doch einzusehen, dass meine Prognosen eintrafen.

Den Auftrag Die kleine Heldin hatten wir von Schatten bekommen, wie viele dieser Aufträge. Es ging um die Tochter eines reichen Händlers, der in einem ansehnlichen Herrenhaus kurz außerhalb von Sturmwind lebte. Des Nachts waren Banditen in sein Haus eingedrungen und hatten seine Tochter festgesetzt. Er selbst hatte, wie ein Teil der Dienerschaft auch, entkommen können. Vielleicht hatte man ihn auch entkommen lassen, so klar war das nicht.

Die Entführer hatten sich jedoch nicht mit der Tochter aus dem Staub gemacht, sondern waren in dem Herrenhaus geblieben, hatten sich dort verschanzt und verlangen nun ein Lösegeld. Das Haus war eine halbe Festung, die Fenster im Erdgeschoss waren entweder vergittert oder so klein, dass niemand hindurch passte. Und dank Wachen auf dem Dach des Hauses war ein Einsteigen im ersten Stock auch unmöglich. Die Tür, oder besser das Tor, denn der Eingang war Zweiflügelig, war massiv und unmöglich heimlich zu öffnen. Alles in allem waren die Banditen gar nicht so dumm vorgegangen. Wie also sollten wir in das Haus eindringen, ohne bemerkt zu werden? Außer mir und der kleinen Heldin waren noch Läuferin, Bärchen und die Adlige mit dabei. Mit der Adligen arbeitete ich auch das erste Mal zusammen und es würde auch bei diesem einem Mal bleiben, doch dazu später mehr. Die Adlige war eine Menschenfrau, für ihre Abstammung gar nicht mal so arrogant und eingebildet und mit dem Drang ausgestattet, Abenteuer zu erleben. Normalerweise kam ich damit sehr gut zurecht, schließlich ticke ich ähnlich. Ihr Drang jedoch war… etwas anders ausgeprägt. Aber dazu komme ich noch. Wie also konnten wir die Geisel befreien, ohne entdeckt zu werden und ohne das Leben der Tochter in Gefahr zu bringen? Wir rätselten eine Weile herum, bis mir der rettende Plan einfiel.

Inhalt

Kapitel 1 – Ein genialer Plan

Viele meiner Pläne haben mit Täuschungen zu tun. Der Gegner schätzt dich falsch ein, meint alles zu wissen und bemerkt dabei nicht das wesentliche. Es ist, wie ein berühmter Zauberer einst sagte: Je mehr Sie zu sehen glauben, desto einfacher ist es, Sie zu täuschen.

Dieser Plan lief auch auf Täuschung hinaus. Normalerweise spiele ich die Täuschung gerne selbst aus, doch in diesem Fall war das einfach nicht möglich, da stand meine Abstammung mir einfach im Weg. Die Idee war folgende: Wir stellen für die Entführer ein vermeintlich einfaches Opfer vor die Nase und gaukeln ihnen vor, sie müssen nur das Tor öffnen und hinaus treten und hätten schon eine Geisel mehr, für die sie ein weiteres Lösegeld verlangen könnten. Wer würde sich diesen Leckerbissen entgehen lassen wollen?

Um den Leckerbissen besonders saftig zu gestalten, sollte eine von uns Frauen sich vor das Tor begeben und die Banditen herausfordern, indem sie behauptete, die Schwester der Entführten zu sein und jeden zu töten, der Hand an jene legen würde. Dabei sollte sie möglichst dilettantisch mit der Waffe herumfuchteln, so dass auch der größte Dummkopf begriff, dass sie mit ihrem Schwert nicht umgehen konnte. Also ein wunderbares Opfer.

Für den Plan schieden schon einmal Bärchen – wegen falschem Geschlecht und falscher Rasse – und Läuferin, sowie ich aus. Uns beiden Elfen nahm man gewiss nicht ab, mit der Entführten verwandt zu sein. Blieben also nur die Adlige und die kleine Heldin. Hier fiel meine Wahl auf die kleine Heldin, einfach weil die Adlige neben ihrer Armbrust nur einen Dolch trug und die kleine Heldin dafür immerhin einen alten, verbeulten Plattenpanzer und ein Schwert. Das wirkte nicht nur glaubwürdiger, die Banditen könnten auch ohne Gefahr näher kommen, als wenn da jemand mit einer Armbrust auf sie warten würde.

Ich legte den Plan offen dar, Läuferin, die Adlige und ich würden uns bis zum Haus schleichen und uns dort beim Eingang verstecken. Die kleine Heldin sollte die Aufmerksamkeit auf sich lenken und möglichst so viele Banditen wie möglich anlocken. Bärchen würden wir im Hintergrund behalten, damit er, sollte es brenzlig werden, der kleinen Heldin helfen konnte. Die kleine Heldin würde gewiss kämpfen müssen und sich vermutlich mit einer Übermacht auseinandersetzen. Das machte ihr aber wenig Angst. Angst hatte sie tatsächlich eher, dass der ganze Plan nur an ihrer Performance hing, ob sie die Entführer wirklich aus dem Haus herauslocken konnte. 

Wir gingen also in Stellung, schlichen uns zu Dritt, die Botanik des Waldes ausnutzend, bis zur breiten Eingangstür und versteckten uns in den nahen Sträuchern. Die kleine Heldin hingegen schritt möglichst offen den Weg entlang und machte genug Geräusche, um ihr Ankommen schon im Vorhinein anzukünden. Ungefähr zwanzig Schritt vor dem Tor blieb sie stehen, zog ihr Schwert und stieß die Spitze, etwas unbeholfen, in den fest getrampelten Boden. Ich konnte von meiner Position aus nicht viel erkennen, aber ich spürte die Bewegungen auf dem Dach von den Beobachtern.

» Hey! Ihr da drin. Lasst meine Schwester frei oder ich verspreche euch, jeden von euch tot zu schlagen. « brüllte die kleine Heldin schließlich.

» Ach ja? Wie willst du das denn anstellen? « kam eine erhoffte Antwort vom Dach mit mehr als einem Hauch voll Häme.

Ich konnte die kleine Heldin schlucken sehen. Sie war wesentlich nervöser, als sie sich selbst darstellte. Nicht jeder konnte seine Nervosität überspielen. » Ihr seid Feiglinge. Versteckt euch hinter Mauern. Na kommt doch her! Traut euch! « forderte sie und ließ mit einer beiläufigen Geste ihr Schwert umkippen. Eilig, als wenn es ihr unbeabsichtigt passiert wäre, hob sie es wieder auf, um es in derselben Stellung wieder zu positionieren. Vom Dach her war Gelächter zu hören. Das waren mindestens zwei Personen. Schon mal nicht schlecht bis hierher.

» Der werde ich mal die Leviten lesen. « hörte ich dank meines guten Gehörs vom Dach her murmeln und hielt den Atem an. Anscheinend lief alles bisher nach Plan.

» Und wenn es eine Falle ist? « fragte ein anderer und ich presste die Lippen aufeinander. Ein vorsichtiger Bastard, das hatte ja noch gefehlt.

» Falle? Glaubst du, die wird sich plötzlich als herausragende Schwertkämpferin entpuppen? So ein Blödsinn. Willst du den Feigling auf dir sitzen lassen? « 

» Nein. Na gut, dann los. « Ich atmete erleichtert auf. Der Bluff war gut genug gewesen, um wenigstens zwei der Entführer zu täuschen. 

Wir warteten noch ein paar Momente, dann hörten wir, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde und das Tor sich öffnete. Es traten drei Kerle aus dem Haus heraus, blickten sich kurz um, entdeckten uns aber nicht. Wir waren dank der Sträucher gut getarnt und die Drei waren nicht sehr gründlich mit ihrer Überprüfung. Sie schritten drohend auf die kleine Heldin zu und wir nutzen den Augenblick, als sie uns den Rücken zudrehten und huschten durch die nun offene Tür ins Innere des Herrenhauses. Soweit war der Plan wunderbar aufgegangen. Nun hing alles davon ab, wie lange die kleine Heldin die drei Kerle beschäftigen konnten und ob wir drei im Inneren Erfolg hatten. Ich hoffte auf das Beste.

Kapitel 2 – Die Befreiung

Wir huschten kaum hörbar durch einen breiten Gang, als wir am Ende die Stimmen zweier Personen vernahmen. Wir verlangsamten unsere Schritte, aber näherten uns weiter der Quelle, bis wir an einer Abzweigung ankamen. Genau dort standen zwei der Entführer, deutlich an ihrer etwas heruntergekommenen Kleidung und den Waffen an der Seite zu erkennen. Ich blickte zu Läuferin und gab ihr mit einer einzigen Handbewegung zu verstehen, dass sie den linken Kerl übernehmen sollte. Ich würde den rechten nehmen. Wir mussten schnell und hart zuschlagen, denn wir hatten nur wenig Zeit. Außerdem würde ein einziger Hilferuf unsere ganze Befreiung zunichte machen. Wir näherten uns noch ein wenig weiter, dann schaute ich noch einmal zu Läuferin, die nickte. Wenn Läuferin nicht ab und zu überhastet handelte, konnte man prima mit ihr arbeiten. Wir verstanden uns teilweise nur mit einem Blick. Und so kam es, dass wir beide fast synchron die letzten Schritte zu den beiden Kerlen, die immer noch in ein Gespräch vertieft waren, überwanden und zuschlugen. Läuferin in ihrer bekannten, brutal-kompromisslosen Art, zog ihr Schwert und stieß es dem linken Mann in den Hals. Der würde nie wieder schreien. Ich trat dem rechten Kerl in die Kniekehle und als seine Beine einknickten und er schließlich meine Größe erreichte, legte ich ihm eine Hand über den Mund und schlug mit dem Knauf meines Dolches gegen seine Schläfe. Er verdrehte die Augen und ich wollte ihn schon zufrieden zu Boden gleiten lassen, als ich das Fauchen einer Armbrust vernahm. Gleich darauf zuckte der betäubte Entführer noch einmal zusammen, da plötzlich ein Bolzen aus seiner Brust ragte. Ich schaute auf und sah die Adlige, wie sie mit einem zufriedenen Grinsen ihre Armbrust neu lud.

» Das war nicht nötig gewesen. « fauchte ich mit gedämpfter Stimme und ließ den nun toten Mann zu Boden gleiten. Die Adlige schien aber meine Einwände nicht zu interessieren, denn sie zuckte nur mit den Schultern. » So ist es sicherer. « 

Ich blickte noch einmal auf den Toten hinab und schnitt eine Grimasse. Dadurch, dass wir, Läuferin und ich, ein gut eingespieltes Team gewesen waren, hatten wir vergessen die Adlige zu instruieren. Das war ärgerlich. » Trennen wir uns. So sind wir schneller. Aber gebt acht, das ihr leise seid. « meinte ich schließlich und erhielt von Beiden ein Nicken. Ich nahm den rechten Gang, die anderen Beiden den linken. Ich unternahm bei der ersten Tür eine grobe Untersuchung, lauschte an ihr, schaute durchs Schlüsselloch und öffnete die Tür schließlich. Ein leerer Raum. Also auf zur nächsten Tür. Wieder lauschte ich und hörte Stimmen. Durchs Schlüsselloch sah ich eine Gruppe von Personen. Sie schienen das übrige Personal des Hauses zu sein, aber standen so seltsam im Raum, nur auf einer Seite. Es musste noch jemand im Raum sein. Ich trat einen Schritt zurück und klopfte an die Tür.

» Ja? « hörte ich eine Stimme aus dem Raum kommen. Ich blieb stumm und wartete ab. Dann klopfte ich erneut. » Was zum… « ertönte wieder die Stimme und Schritte waren zu vernehmen, die sich näherten. Ich lehnte mich gegen die Wand, wo ich nicht sofort gesehen wurde und wartete ab. Die Tür ging auf und ein Kerl in heruntergekommener Kleidung und einem Schwert in der Hand erschien. Das war eindeutig einer der Banditen. Ich reagierte blitzschnell. Er hatte mich noch nicht entdeckte, erst als ich mich von der Wand ab stieß drehte er den Kopf. Er hob das Schwert. Ich schubste ihn, so dass er nach hinten taumelte und gegen den Türrahmen knallte. Dadurch war er benommen, aber noch nicht ausgeschaltet. Schon öffnete er den Mund, um zu schreien, da rammte ich ihm den Ellbogen in die Magengrube. Als er sich mit einem Würgen krümmte, packte ich ihn bei den Haaren. Ich riss daran und während ich schließlich ein Büschel Haare in der Hand hatte, kollidierte sein Gesicht durch den Schwung, den ich ihm mitgegeben hatte, mit der Wand und hinterließ dort einen Blutfleck, als seine Nase brach. Jetzt war er bedient und sackte in sich zusammen. Ich atmete erleichtert auf und wischte mir die Hand an der Hose ab, um auch die letzten Haare von der Hand los zu bekommen. Ich schaute in den Raum hinein und blickte in mehrere vor Unglauben geweitete Augenpaare. Ich hielt den Zeigefinger an die Lippen, um den Bediensteten des Hauses anzuzeigen, still zu sein und zog dann mit etwas Mühe, weil der Kerl echt schwer war, den Bewußtlosen in das Zimmer und schloß die Tür.

» Sollte der sich noch einmal rühren, einfach eins über die Rübe ziehen « meinte ich leichthin. » Bleibt bitte noch eine Weile ruhig hier im Zimmer, bis wir alle Entführer ausgeschaltet haben. « Ich wendete mich bereits wieder zur Tür um rauszuschlüpfen, da fiel mir noch etwas ein. » Ach so.. weiß einer, wo sie die Tochter gefangen halten? « fragte ich und drehte mich noch einmal zu den Bediensteten um. 

Diese sahen sich kurz an, bevor eine ältere Menschenfrau mir antwortete » Ich glaube sie halten sie im Keller fest. Das hatte zumindest der da… « sie deutete auf den bewusstlosen Mann » … behauptet. « Mein Blick folgte ihrem Fingerzeig und ich presste einmal kurz die Lippen zusammen. Ja, man hätte ihn möglicherweise auch befragen können und nicht gleich ausschalten. Aber geschehen ist geschehen. Ich zuckte mit den Schultern.

» Danke « erwiderte ich, wandte mich der Tür wieder zu und schlüpfte nach draußen. Ich folgte den Gang weiter, bis dieser in einem Raum ohne Türen endete. Dahinter befand sich eine Treppe, die sich an der Wand entlang nach oben schlängelte. Und direkt unter der Treppe befand sich eine Tür, der vermutliche Weg in den Keller. Genau in dem Moment, als ich den Raum betreten wollte, bemerkte ich eine Bewegung auf der Treppe nach oben und erstarrte. Doch im nächsten Augenblick atmete ich erleichtert aus, denn es waren nur Läuferin und die Adlige, die von oben herunter kamen. Ich hob überrascht eine Augenbraue. Ich hatte nicht gedacht, dass die Beiden so schnell voran gekommen waren und bereits den ersten Stock durchsucht hatten. Als Läuferin mich sah, lächelte sie kurz und hob zwei Finger. Ich erwiderte das Lächeln und hob nur einen Finger, um die Anzahl an ausgeschalteten Gegnern zu signalisieren. Dann deutete ich auf die Tür unterhalb der Treppe und die Killerin nickte, um sich neben der Tür zu postieren. Ich untersuchte die stabile Holztür nur flüchtig, denn ich glaubte nicht an eine Falle und öffnete sie schließlich. Dahinter offenbarte sich, wie erhofft, eine Treppe nach unten. Ich blickte noch einmal kurz zurück zu den beiden Anderen, dann ging ich als Erste. Die Adlige folgte mir sogleich, Läuferin bildete die Nachhut. Von unten war das Schluchzen einer jungen Frau zu hören. Wir machten kaum einen Laut, als wir die Stufen hinab gingen, trotzdem wurden wir praktisch sofort bemerkt.

» Halt! Ihr da, kommt herunter, aber keine Dummheiten, sonst ist das Mädchen tot! « kam die befehlende Stimme und ich seufzte frustriert. Soviel zum Überraschungseffekt.

Ich stieg noch ein paar Stufen hinunter, bis ich endlich einen Überblick hatte. Der Keller war recht groß, aber nicht unbedingt luxuriös eingerichtet. Da war das Zimmer der Bediensteten dagegen prunkvoll. Wieso sich gerade hier jemand verschanzte?

Ich sah einen Menschen, vermutlich in den mittleren Jahren, mit einer ausgesprochenen Geiernase und einem Dolch in der Hand. Die Spitze der Klinge war direkt auf den Hals einer jungen Frau gerichtet, die schluchzend und mit vor Schreck geweiteten Augen zu uns starrte, während sie von dem Kerl festgehalten wurde.

» Ich hab mir gedacht, dass der Dreckskerl für seine Tochter kein Lösegeld zahlen will und lieber ein paar Söldner schickt. Aber ohne mich, Pech gehabt. « brummte der Kerl und presste die Spitze des Dolches leicht gegen den Hals der jungen Frau. Ein einzelner Blutstropfen lief die Klinge hinunter. Ich überlegte fieberhaft, wie ich die Frau aus den Klauen dieses Kerls befreien konnte, ohne das sie abgestochen wurde. Es dauerte nur einen Augenblick, dann hatte ich einen Plan. Bluffen und lügen.

Ich warf Läuferin einen einzigen Blick zu und sie verstand. Sie blieb im Schatten der Treppe zurück, während ich mit der Adligen weiter hinunter ging.

» Ganz ruhig. Wir wollen hier doch alle lebend rauskommen, oder? « versuchte ich zu beschwichtigen und hob meine Hände. » Also machen sie keine Dummheiten. «

Der Entführer schnaubte. » Bringt mir mein Gold, dann passiert nichts. « 

Ich ging weiter mit erhobenen Händen in den Raum hinein, machte aber einen Bogen um das Pärchen. Der Bandit musste sich drehen, um mich weiter anzusehen und dadurch drehte er ganz langsam der Treppe den Rücken zu. Ich schüttelte bedauernd den Kopf.

» Ich könnte ihnen jetzt irgendwas vorlügen, das Gold wäre schon unterwegs oder so. Aber bleiben wir doch einfach ehrlich. Sie werden das Gold niemals bekommen. Die Situation hat sich einfach geändert. Eure Männer sind überwältigt und nur noch ihr seid da. Ihr könnt also nicht entkommen. Aber auch wir haben ein Problem. « redete ich ruhig und bewegte mich weiter im Halbkreis. Nur noch eine leichte Drehung und der Kerl würde nicht sehen, was in seinem Rücken lauerte.

» Ach ja? Und das soll mich interessieren? « fragte der Entführer gerade provozierend und ich nickte.

» Sollte es, ja. Ansich ist mir das Leben von ihr… « ich deutete auf die Tochter und log weiter » völlig gleich, aber wir werden nun einmal dafür bezahlt, dass wir sie lebend abliefern. Stirbt sie also, werden wir nicht bezahlt. Das wäre… ärgerlich, gelinde gesagt. Aber bringt ihr sie um, werden meine Kameraden und ich euch kaum am Leben lassen. Rache für einen Verlust, ihr versteht? « 

Der Kerl starrte mich einen Augenblick an und nickte schließlich. » Das klingt nachvollziehbar. Und wie lösen wir das Problem? Ich werde nicht aufgeben! «

Ich atmete erleichtert auf, der Kerl hatte es gefressen. Gut. Nun zum zweiten Teil meines Plans. Ich zog langsam meinen schweren Dolch und legte ihn auf den Boden.

» Ganz ruhig. Ich an eurer Stelle würde auch nicht den Worten von Söldnern vertrauen, daher verstehe ich, dass ihr eure Gefangene nicht einfach frei lasst, in der Hoffnung, wir würden euch ziehen lassen. Und natürlich lassen wir euch nicht mit der Tochter hier hinaus spazieren. Weil wir dann auf euer Wort vertrauen müssten und sind wir mal ehrlich… wer würde das, hmm? Es gibt aber noch einen dritten Weg, der uns alle zufrieden stellt. « 

Der Kerl runzelte die Stirn, hörte dabei aber interessiert zu und merkte gar nicht, wie er nun endlich in die von mir gewünschte Position rückte. Mit dem Rücken zur Treppe.

» Und wie soll dieser Weg aussehen? « fragte er. Ich lächelte.

» Ganz einfach. Ich werde anstatt der Tochter eure Geisel. Ihr spaziert dann mit mir hier heraus und draußen habt ihr keinen Grund mehr, mich gefangen zu halten, denn für mich wird es kein Lösegeld geben. Und ihr seid auch nicht so dumm, mich einfach grundlos zu töten, denn dann hättet ihr meine Kameraden auf den Fersen. So gewinnen wir alle. Die Tochter bleibt am Leben, ihr bleibt am Leben und wir bekommen unsere Belohnung. «

» Und wenn ich nicht ohne Gold hier weg will? « fragte der Bandit. Ich seufzte theatralisch.

» Das Thema ist durch. Gold werdet ihr ganz sicher keins bekommen. Wie gesagt, eure Komplizen sind bereits alle ausgeschaltet. Wir verhandeln nur noch über euer Leben. Ich an eurer Stelle würde das Angebot annehmen. Ein besseres wird es nicht geben. « 

Der Kerl schaute mich noch einen Augenblick an, dann verzog er kurz den Mund.

» Also gut «

Ich atmete erleichtert auf. Teil Zwei des Plans war aufgegangen. Nun folgte Teil Drei. Das Finale. Ich kam mit erhobenen Händen auf den Banditen zu. 

» Dann tauschen wir jetzt « sagte ich und der Kerl nickte. Die Dolchspitze verschwand vom Hals der jungen Frau und richtete sich auf mich. Ich ging noch ein paar Schritte, bis ich in Reichweite war. Dann reagierte ich. Meine erhobenen Hände fuhren nach vorne und packten sein Handgelenk mit dem Dolch. » Jetzt! « brüllte ich und hängte mein ganzes Gewicht an den Arm. Der Kerl versuchte sich loszureißen, die Tochter ebenfalls. Sie schaffte es. Dann erschien Läuferin aus dem Schatten. Im ersten Augenblick war sie noch auf der Treppe, im nächsten Stand sie wie eine unheimliche Gestalt hinter dem Kerl. Sie packte ihn mit einer Hand am Hals, dann zuckte der Bandit zusammen, als sie ihm ihren Dolch in den Rücken rammte. Im nächsten Augenblick spürte ich keine Gegenwehr mehr und atmete erleichtert auf. Nur für den Bruchteil eines Wimpernschlags. Dann hörte ich das Fauchen einer Armbrust und den Lufthauch eines Bolzens, wie er haarscharf an meinem Ohr vorbei zischte. Das Geschoss durchschlug den Schädel des Banditen und kam am anderen Ende zum Teil wieder raus. Der Kopf von Läuferin zuckte erschrocken zurück, als die Spitze des Bolzens kurz vor ihr stoppte und uns Beide mit Blut und Hirnmasse besprenkelte. Angewidert wichen wir Beide zurück und ließen die Leiche fallen. Ich blickte fassungslos auf die Adlige, die dieses ekelhafte zufriedene Grinsen im Gesicht hatte und ihre Armbrust gerade weg packte.

» Du blöde Kuh! Du hättest mich fast getroffen! « kreischte Läuferin mit einem Mal und wollte schon auf die Adlige losgehen. Ich packte sie an der Schulter und hielt sie zurück, oder versuchte es zumindest. Ich hätte gar nicht die Kraft besessen, hätte die Läuferin wirklich vorgehabt, der Adligen das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Diese zuckte auch nur mit den Schultern » Ich wollte eben sicher gehen, dass der Kerl wirklich tot ist. « 

Mir drehte sich der Magen um, als ich Teile von Gehirnmasse von meiner Kleidung weg wischte.Ich war gar nicht mal so sauer wie Läuferin auf die Adlige. Ich war eher von dieser Brutalität erschrocken, einen Bolzen aus nächster Nähe ins Gesicht zu jagen.

» Wir müssen nach draußen. Vielleicht brauchen unsere Kameraden Hilfe. « sagte ich, um den Streit hier und jetzt zu beenden. Die Sache würde aber noch ein Nachspiel haben. Die Läuferin knurrte noch einmal wütend, etwas, was bei ihr eher selten vorkam. Häufig war die Killerin eher emotionslos. Wir hatten einmal ein Spiel gespielt, in dem ging es darum, einem anderen den Dolch abzuluchsen. Ich hatte die Läuferin dabei schon gut eingewickelt gehabt und den Moment genau abgepasst, in der ich ihr den Dolch entwenden konnte. Doch dann hatte sie, anstatt wütend zu werden, mich nur emotionslos angesehen und den Ellbogen ausgefahren. Am Ende hatte ich mir auf die Zunge gebissen und eine ziemlich dicke Lippe. So reagierte die Läuferin eigentlich, wenn sie wütend war. Jetzt war ihr Gesicht jedoch wutverzerrt. Das musste bedeuten, sie war wirklich, wirklich wütend. Ich hoffte nur noch, sie würde sich genug im Griff haben, um keine Dummheiten zu begehen.

Wir gingen schweigend nach oben, lieferten die Tochter bei den Bediensteten ab und gingen nach draußen. Ich hatte Angst, unsere beiden Kameraden, Bärchen und die kleine Heldin dort niedergestreckt zu sehen, doch ich irrte mich gewaltig. Die kleine Heldin, auf ihr blutiges Schwert gestützt, stand dort über den Leichen der drei Kerle gebeugt, während Bärchen beinahe unbeteiligt im Hintergrund stand und zu sah. Wie wir schließlich erfuhren, hatte es die kleine Heldin tatsächlich mit den Dreien alleine aufgenommen und sie besiegt, ohne das Bärchen eingreifen musste. Und das alles, ohne sich ernstlich zu verletzen. Das war der Moment, in dem sie ihren Spitznamen bekam.

Der Auftrag war erledigt, doch es gab ein kurzes Nachspiel. Ena war von der Brutalität und insbesondere einen Kameraden in Gefahr zu bringen, wenig angetan. Die Adlige verließ uns folglich wenige Tage später.

Das war das Abenteuer Die kleine Heldin. Ich freue mich, Sie werter Leser auch in meinem nächsten Band wieder begrüßen zu dürfen.

Kari


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