Vorwort
Es ist fraglich, ob ein solch kleines Büchelchen überhaupt ein Vorwort benötigt. Ein paar Worte möchte ich dennoch verlieren.
Bezogen auf Lyrik würde ich mich selbst maximal als passable Amateurin bezeichnen; das Attribut ‚gut‘, welches mir bisweilen gegeben wurde, lehne ich daher (wenn auch dankbar) ab. Ich hoffe aber, dass meine kleinen Versuche, mit denen ich nach dem greife, was sich Kunst nennt, zumindest ein wenig unterhalten können.
Aufmerksame Leser werden feststellen, dass die Version der „Gimpelweise“, welche in dieser Ausgabe zu finden ist, am Ende in zwei Versen nicht mit der zuerst veröffentlichten übereinstimmt. Ich habe dieses Gedicht an einer Stelle für diese Ausgabe überarbeitet, um einen Fehler im Reimschema zu korrigieren. In der „Gimpelweise“, und all diesen anderen kleinen Werken, bemühe ich mich darum, meine Liebe zur Natur zum Ausdruck zu bringen. Ob mir dies gelingt sei den Lesern überlassen. In diesem Sinne lasse ich diese Produkte auf eine unvorbereitete Öffentlichkeit los und danke allen, welche eine Winzigkeit an Freude aus ihnen ziehen.
Mystikerin Tenaar
Inhalt
Pilgerreise
Zur Wanderung der Kröten
Verbanne, Sonne, dunkle Zeit!
Erwecke uns,
Die friedlich sind
Im Erdengrund,
In Schlafes Griff,
Zum Neuanfang und Frühlingsfest.
Befreie uns von Einsamkeit!
Auf frischem Gras
Und grünem Moos
Erkennen wir
Geschwister wach,
Gelöst vom wärmend Erdennest.
Verspüren dann den heilig Drang:
Den tiefen Wald
Und weite Flur
Durchqueren wir
Mit hohem Mut,
Zu finden alten Ahnenteich.
Es bindet uns ein langer Strang
Von ihnen her,
Zu uns dann hin;
Was gestern war
Wird heute sein:
Sie schau’n zu uns vom Totenreich.
Gefahr’n sind viele auf dem Pfad:
Des Iltis Hass,
Der Schlange Biss,
Und Vögel auch
Mit Schnäbeln scharf:
Sie all’ uns nur als Futter seh’n.
Gefährlich auch ist rundes Rad
An Wägen breit
Auf Straßen weit
Nur kurze Zeit
Dann uns verbleibt
Zu sterben nicht; wir woll’n besteh’n.
Doch nimmermüd’ wir geh’n voran
Und trotzen all
Gefahren hier,
Wie vor uns schon
Die Eltern auch;
Sind voll der Kraft und Heiterkeit.
Am Quell des Lebens komm’ wir an:
Das Wasser klar,
Umzäunt vom Rohr
Das grün nun springt
Aus Erd’ hervor
Und schirmt die Sicht auf Minnestreit.
Die Lieder klingen munter-laut,
Denn singen ist
Was bindet uns
Mit alter Zeit,
Vergang’nem Tag,
Als Ahnen so wie wir gelebt.
Mit Schwermut wird nach vorn geschaut:
Wenn Winter naht,
Die Erd’ dann ruft
Zum Schlafe lang
Und Einsamkeit;
Und Frost auf Boden Fäden webt.
Vogelflug
Der Sittich
Der Sittich sitzt auf einem Stab
Und Stäbe rings um ihn
Nicht anders ist’s als ödes Grab
Wie Wände dicht sie um ihn stehn
Der Futternapf ist unberührt
Trotz Flügeln kein Entfliehn
Der Kopf nicht einen Windhauch spürt
Der Blick ist trüb, kein Licht zu sehn
Der Brust entspringt ein Klageschrei
Aufgrund der zwängend Haft
Die Hand im Zorn, zu Taten frei,
Das Gitter schlägt, nicht Freude schafft
Der Schnabel reißt die Federn aus
Tut‘s schmerzen noch so sehr
Entkommen kann er nicht dem Haus
Ein Weg nur bleibt zur Freiheit Tür-
Sie finden ihn im Morgengraun
Er rührt sich nun nicht mehr
Mit Wut im Blick sie auf ihn schaun
Und nennen ihn ein dummes Tier.
Wolkenfluss
Eine Krabbe sitzt in einer Höhle
Ungesehen unter Wasser nah des Ufers
Eines gräulich Flusses, breit und mächtig.
Finster ist’s am Felsenrande unter Fluten
Und so kann der Krebs nicht Himmel sehen;
Farb des dunkel fließend Wassers, grau und furchtbar,
Dieser langsam spiegelt, schwere Wolken.
Seht! Sie brechen im erregten Zorne,
Furortropfen fallen gleich dem Sturz der Falken,
Regen sich gesellt zu Berges Strome,
Weingleich dunkle Wasserfluten schwellen wütend,
Reißen mit sich Felsen, alle Dinge,
Bleiben in dem Boden sicher nicht die Bäume,
Auch die arme Krabbe wird gegriffen.
In der Ohnmacht Ketten ist die Krabbe,
Wahnsinn heißen wirrer Strömung tobend Wellen;
Ohne Licht ist Wahrheit nicht zu kennen:
Schattenformen schweben in der finst’ren Schwemme,
Bilder sind’s zu täuschen dumpfe Sinne.
Furcht erfüllt die Felsenkrabbe in den Fesseln
Dunkler Wasserkräfte aus den Wolken.
Schaut! Ein Schein durchbricht die Wolkentürme,
Strahlend zeigt er stille auf Erhebung steinern,
Tapferkeit verlangt dies von der Krabbe:
Fasst dann Mut und Felsen gleich den Helden feste,
Steigt auf sich’ren Boden, Wolken ziehen,
Hebt die Scheren höher, grüßt den blauen Himmel,
Und dann steht sie unterm Sonnenlichte.
Im Walde
Durch den erhab’nen Baldachin der Bäume
fällt nur schwächlich sanftes Licht;
kaum es berührt der Wildnis weite Räume
und erhellt nicht Angesicht
grauer und brauner Säulen welche stehen
wie im Saal geschmückt fürs Fest
und durch die Regung feiner Winde wehen
grüne Düfte durchs Geäst.
Schöner das Bild durch fingrig fahlen Scheine,
kann erkennen einen Stein
moosrig bewachsen; eine nackte kleine
Schnecke sieht ihn an als Heim-
und im gehöhlten Reste eines toten
Baumes nagt ein Käfer Holz;
tänzelnd ein runder Vogel zeigt den roten
Federschmuck: sein ganzer Stolz.
Glänzend ein Teich, dem durstig Tier Oase,
ist er auch den Pflanzen Trank;
dort ein geöffnet Kelch – gleicht einer Vase –
spricht den fleißig Bienen Dank.
Sanftmut erfüllt die Seele an dem Wasser,
haucht das Leben in den Geist:
Trubel der strengen Welt wird blass und blasser,
wo Natur die Wege weist.
Spaziergedanken
Der Stein, er liegt am Wegesrand;
Gesehen hast du sicher viel-
Wo kommst du her? Wer bracht’ dich hier?
Als hätte eine Zauberhand
Zur Ruhe dich gebettet dort,
Im Grase, wo die Blumen blüh’n.
Wie kamst du nur zum tiefen Land?
Entsprangst du einem hohen Berg-
Gewesen einst ein großer Fels?
Bist kleiner jetzt als meine Hand-
Die Zeit, sie hat geschmirgelt dich,
So macht sie uns doch alle gleich.
Ist Mutter von dem feinen Sand,
Der bröckelt ab von deinem Haupt
Und mit dem Wind in Ferne reist.
Erzählst dann mir was dir bekannt;
Du wandernd Zeuge, grau und alt,
Mit leichtem Funkeln in dem Licht:
“Gebirge wandeln sich zum Strand.”
Fischkugel
Ein rundes Glas
steht auf dem Tisch
Und in dem Glas
Ein goldner Fisch:
Er schwimmt im Glas
Im Kreise, Kreise, Kreise.
Er sieht nur stets
Das gleiche dort
Und dreht dann stets
Von selbst sich fort:
Er schwimmt nur stets
Im Kreise, Kreise, Kreise.
Auf Wasser flach
Das Futter schwebt,
Auf Tischlein flach
Kein Traum sich hebt:
Er schwimmt nur flach
Im Kreise, Kreise, Kreise.
Er isst nicht mehr
Das Futter faul,
Null Kräfte mehr
Zu öffnen Maul:
Er schwimmt nicht mehr
Eine Hymne
Brüder, Schwestern, lasst uns singen
Von der warmen Herzlichkeit:
Nimmer sollen wir dort ringen
Wo der Liebe Arm verweilt.
Früchte fallen aus dem Munde
Ihrer himmlischen Natur;
Singt nun von der frohen Kunde,
Sprechen sollt ihr diesen Schwur:
Nimmer soll ein Streit erklingen
Wo wir von der Liebe singen.
In dem Himmel zieht sie Sterne
Und auf Erden Wassers Bahn;
Trägt die Winde in die Ferne
Und erlöst uns von dem Wahn.
Heilt der Schmerzen vollste Wunde,
Ist der finstren Triebe Kur;
Singt nun diese frohe Kunde,
Sprechen sollt ihr diesen Schwur:
Nimmer soll ein Streit erklingen
Wo wir von der Liebe singen.
Liegt in Wurzeln hoher Bäume
Und im Blick des Vögeleins;
Ist in Meeres wilder Schäume
Und des Mondes lichten Scheins.
Strahlt in Tages hellster Stunde
Und in Blumen weiter Flur;
Singt von dieser frohen Kunde,
Sprechen sollt ihr diesen Schwur:
Nimmer soll ein Streit erklingen
Wo wir von der Liebe singen.
Sie bewirkt der Raupe Wandel
Und der weißen Flocken Tanz;
Gibt Geschmack der süßen Mandel
Und der Sonne hellen Kranz.
Lässt Planeten drehen Runde,
Schwingt mit großer Weltenuhr;
Singen sollt ihr frohe Kunde,
Sprecht mit mir nun diesen Schwur:
Nimmer soll ein Streit erklingen
Wo wir von der Liebe singen.
Gimpelweise
Eine Erzählung in Versen
Auf dem Aste eines Baumes,
Waldessaumes größter Buche,
Lebte lange, friedlich singend,
Lieblich klingend, eine schöne
Gimpeldame. Sprach dann sinnend
Als dort glimmend Sonne lachte:
„Meine Küken sind entflogen,
Hab‘ erzogen sie zum Wohle
Uns‘rer Zukunft; schwere Bürde!
Manche Hürde legt das Leben.
So auch heute: Muss ich achten
Liebe Wachteln, mir doch sagten
Balde wäre Kälteanfang,
Winters Anklang: Noch ist‘s sonnig!
Muss ich finden viel zu essen,
Möcht‘ mich messen mit des Herbstes
Prallen Äpfeln: Schön und rundlich!
Sorgen schrecklich mach mir keine
Um die Kleinen. Nein, sie werden
Schon nicht sterben! Habe ihnen
Übermittelt all mein Wissen.
Werd‘ sie missen restlich Leben,
Meine Zeiten hier auf Erden,
Weiß sie werden überdauern.
Doch bin hungrig, muss zur Suche,
Fern der Buche find‘ ich Futter –
So ich hoffe.“ Flog vom Baume
An dem Saume großen Waldes,
Gimpeldame wollte ziehen,
Wollte fliehen vor dem Hunger;
Hörte dann ein lautes Singen,
Saitenklingen eines Spielmanns,
Auf der Zither Melodien
Diese liehen ihre Achtung.
Folgte Spur des Musikklanges,
Fels des Sanges, Spielmanns Rastplatz,
Auf dem Steine silb‘ner Klarheit
Sang er Wahrheit schöner Wälder.
Blauer Hut und Mantel grauer
Gleich dem Schauer ferner Sterne
War‘n die Augen, silbern-helle,
Auch wie Quelle tief voll Ruhe.
„Kommt und lauscht doch meinem Spiele,
Möchte viele Freunde machen!
Mag die Tiere, auch die Pflanzen,
All die ganzen Waldlandwesen!
Bin der Spielmann, alt und fröhlich!“
Einig war‘n sich all die Tiere,
Rehe sprangen zu dem Manne,
Ganz im Banne war‘n die Vögel,
Lurche kamen aus dem Schlamme,
Von dem Stamme kamen Hörnchen,
Auch die Bärin aus der Ferne
Schaute gerne nach dem Spielmann.
Wonne hob sich über Wonne,
Doch die Sonne küsste Abend,
Gimpeldame sang zur Zither,
Doch dann riet der alte Spielmann
Zu der späten Nachtesruhe.
Eine Truhe voller Futter,
Voller Nüsse, voller Beeren,
Ließ er leeren von den Tieren;
Für die Lurche Käfer kleine,
Was vom Schweine für die Bärin.
Vor der kleinen Gimpeldame,
Friedlich zahme Gimpeldame,
Weiser Sänger kniete nieder,
Wisser Lieder alt und magisch,
Alter treuer Zitherspieler.
„Bist fragiler als die andern,
Kleine Dame, friedlich singend,
Lieblich klingend! Bist mir teuer,
Kleine Dame! Einen Segen
Möcht‘ ich geben, doch bin müde.
Werde rasten, kehre wieder,
Müde Glieder schlechter zaubern.
Erster Schneefall ist das Zeichen,
Werd‘ am gleichen Platze singen,
Lasse klingen meine Zither.“
Gimpeldame sprach da leise:
„Alt und weise, Zitherspieler,
Kommt der Winter, kalt und grausam,
Dunkel, furchtsam, wird es werden,
Und die Äste all gebrochen,
Ganz verkrochen all die Tiere,
Werde warten, werde schauen,
Nach dem blauen Hute deinen,
Werde warten, werde singen,
Meine Schwingen weit ausbreiten,
Werde tanzen, werde warten,
In dem Garten dieses Waldes,
Auf den Spielmann, alt und treue,
Schön und neue Lieder wünschend.“
Zeit verging im schönen Walde
Und schon balde kam der kalte
Schnee vom Himmel; Zitherspieler,
Weiser vieler alter Lieder,
Kehrte heim zum Fels des Sanges,
Stein des Klanges. Suchend Blicke
Fanden keinen Gimpel kleinen.
„Möchte meinen, möchte denken,
Meine Freunde halten Worte,
An dem Orte meines Spieles
Sollten wir uns wiedersehen.
Muss ich gehen, weitersuchen.“
Einen Fuchs, der still und heimlich
Im Gebüsch sich tarnen wollte,
Bat der Spielmann anzuhalten.
„Lass mich walten, listig Füchslein!
Kluger Rotfuchs! Bleibe stehen,
Hör mein Flehen! Muss dich fragen
Über Fräulein Gimpeldame,
Diese zahme Gimpeldame,
Denn sie ist dem Wald entschwunden.
Tiefe Wunden reißt dies in mir,
Kann nichts finden, kann nichts sehen –
Hör mein Sehnen, ich dich bitte!“
„Jägers Hunde, Störenfriede,
Nennen Diebe alle Füchse,
Kann mir denken, dass sie bissen,
Dass sie rissen Gimpeldame;
Denn schon lange, ja schon lange,
Ist ihr Sange nicht zu hören.
Kann dir aber nicht mehr sagen
Unbehagen füllt mich bei dem
Schlimm‘ Gedanken. Frag die Kröte!
Sie dir böte guten Ratschlag.“
Zitherspieler konnt‘s nicht glauben:
„Hunde rauben keine Vögel!“
Sah ein Mäuslein, schnell, geschwinde,
Wie vom Winde angetrieben,
Durch den kalten Schneefall laufen.
Auf dem Haufen vieler Blätter
Saß es stille, quiekend sprechend:
„Füchslein irrend spricht nur Unsinn!
Schlange war es, bin mir sicher,
Schauerlicher Bodenschleicher,
Jagt die Vögel, auch uns Nager,
Tiere mag er ganz verschlucken.“
„Könnte sein, dass Schlang‘ ist schuldig.“
Ungeduldig dacht‘ der Spielmann.
Fröstelnd in der Kälte stehend,
Kam ihm bebend ein Gedanke:
„Schlangen mögen keine Kälte!“
Dies erhellte seine Zweifel.
Durch den Walde ging die Wand‘rung,
Auf der Lichtung blieb er stehen,
Sah dort einen weißen Hasen
Schnelle rasen über Gräser.
„Flinker Hase! Halte inne,
Hab‘ im Sinne dich zu fragen,
Über Fräulein Gimpeldame,
Diese zahme Gimpeldame,
Denn sie ist dem Wald entschwunden.
Tiefe Wunden reißt dies in mir,
Kann nichts finden, kann nichts sehen –
Hör mein Sehnen, ich dich bitte!“
Zu dem Manne rief der Hase:
„Gleich dem Glase brauchst du Klarheit,
Denk‘ die Adler über Gipfeln,
Über Wipfeln, sind hier schuldig.
Angst sie machen allen Hasen
Froh hier rasen über Gräser.
Doch die Kröte wird mehr wissen,
Denn beflissen sieht sie alles,
Weise Kröte, Tümpelsänger,
Käferfänger, Wissenswahrer.“
„Alte Kröte muss ich wecken,
Denn verstecken in dem Boden
Tun sich Kröten, ist es Winter.
Doch dahinter muss ich kommen.“
An dem Tümpel angekommen,
Rief beklommen er gen Wasser:
„Weise Kröte! Darf ich‘s wagen,
Dich zu fragen, muss es wissen,
Über Fräulein Gimpeldame,
Diese zahme Gimpeldame,
Denn sie ist dem Wald entschwunden.
Tiefe Wunden reißt dies in mir,
Kann nichts finden, kann nichts sehen –
Hör mein Sehnen, ich dich bitte!“
Spielmann stand da lange wartend,
Doch dann quakend hob sich Erdreich,
Weise Kröte, Tümpelsänger,
Käferfänger, kam ans Lichte.
Spielmann hörte Kröte klagen:
„Muss ich‘s wagen dir zu sagen,
Was dem Vogel widerfahren,
Von Gefahren muss berichten,
Traurig Botschaft, düster Kunde,
Keine Hunde sind hier schuldig.
Auch die Adler über Gipfeln,
Über Wipfeln, sind nicht schuldig.
(Werd‘ nicht sprechen von der Schlange,
Angst und Bange wird mir bei ihr.
Unbetroffen ist sie diesmal.)
Nein!, ein Scheusal fremd dem Walde,
Es gern mordet ohn‘ zu fressen,
Möcht‘ vergessen seine Augen,
Ein still Jäger sanften Schrittes,
Lautlos Trittes, ist hier schuldig.
Es froh quälend spielt mit Opfern,
Armen Opfern, Tod befreit sie.
Gimpeldame wollte fliehen,
Wollte ziehen von den Klauen,
Konnte aber nicht entkommen,
Ganz benommen bin noch immer.
Weiter seh‘ ich als die andern,
Sah dich wandern in dem Traume
Den ich hatte unter Erde.
Also werde ich dir sagen
Meine Augen trauernd sahen:
Sah sie fahren in die Ferne –
Hinter Himmels bunten Bogen
Winde zogen ihre Seele.“
„Dies nun ist der Gimpeldame
Traurig Sage.“, sprach der Spielmann.
Ging dann schweigend, ging dann weinend,
Doch dann keimend kam ihm Hoffnung.
„Ihre Küken sind entflogen,
Sind erzogen zu dem Wohle
Aller Zukunft – schwere Bürde!
Manche Hürde legt das Leben.
Hat vermittelt all ihr Wissen,
Werd vermissen ihre Stimme.
Ist nun in dem Himmel droben,
Wurd’ gehoben von den Winden.“
Zitherspieler, alt und weise,
Endet Reise auf dem Steine
Silb‘ner Klarheit, Fels des Sanges,
Musikklanges. Erst noch stille
Saß er schweigend, doch dann singend,
Sternwärts klingend, sprach er Worte:
„Auf dem Aste eines Baumes,
Waldessaumes größter Buche,
Lebte lange, friedlich singend,
Lieblich klingend, eine schöne
Gimpeldame, Sommers Zierde.“
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80
85
90
95
100
105
110
115
120
125
130
135
140
145
150
155
160
165
170
175
180
185
190
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200
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235