Das Treffen mit Enestress fand schon wenige Tage nach meinem Aufschlagen in der Schreibstube statt. Als ich mein Anliegen vortrug, schien sie schon fast abweisend, gar verwundert. Ich hatte das Gefühl, sie glaubte Zesk würde mich zwingen dort helfen zu wollen. Leise musste ich in mich hinein lachen. Bis wir unsere zahlreichen Missverständnisse ausgeräumt hatten, verging schon ein wenig Zeit. Auch schlendernde Bürger, die uns auf einen kurzen Plausch besuchten, machten es nicht unbedingt einfacher. Vielleicht hätten wir uns auch einfach noch weiter Abseits setzen sollen, schoss es mir durch den Kopf. Letzten Endes einigten wir uns aber. Sogar eine Bücherauslieferung hatte ich nach unserem Gespräch eingesackt. Und dies zu keiner geringeren als Kari, besser gesagt, zu einem ihrer Gruppe. Aber immerhin etwas. Irgendwann stieß Zesk dann auch zu uns, die Stadt ist eben doch nicht ganz so groß, wie man immer meint. Schnell setzte ich mich mit ihm ab, das ganze Geplapper wurde uns beiden zu viel.
An diesem Abend machten wir nichts Besonderes. Ein wenig schlenderten wir durch die Stadt und unterhielten uns über dies und das. So gingen die Tage ins Land … es war ruhig, ein wenig langweilig und unsere Abenteurerei schob sich etwas auf, immerhin musste Zesk auch seinen Verpflichtungen in der Stube nachkommen.
Und dann passierte es. Eine Elfe kreuzte unsere Wege, wirkte verloren und ein wenig hilflos, ließ sich aber auf ein Gespräch mit uns ein. Sie wirkte nichts ganz überzeugt, als ich ihr vorschlug ihr die Stadt zu zeigen, ich konnte es in ihrem Gesicht lesen. Viel Zeit schien sie nicht zu haben und dennoch fragte ich sie:
„Soll ich dir die Stadt trotzdem erstmal zeigen?“, bot ich ihr an, immerhin war sie erst ein paar Tage hier, kannte niemanden. Ich weiß einfach noch zu gut, wie es ist, auf sich allein gestellt zu sein.
„Ja gerne“ stimmte sie zu und so liefen wir los. Die Schmiede sah uns beide ab diesem Zeitpunkt nur noch selten. Wir kamen von Hölzchen auf Stöckchen und verstanden uns, zu meiner Verwunderung, wirklich gut. Und das mit einer Elfe.
Zwar schien sie nicht immer die hellste, ich musste das ein oder andere Mal auf sie aufpassen, als sie kurzerhand beschloss, mit einem Todesritter Freundschaft zu schließen, sich auf merkwürdige Gestalten einlassen zu wollen oder einfach zu glauben, jeder würde nett und lieb zu ihr sein. Ich war ab und an schon naiv, ich glaube, sie war es noch viel mehr.
Es verging kein Tag, an dem wir uns nicht in der Stadt trafen, sie lernte mehr Leute kennen und taute, so mein Empfinden, immer ein wenig mehr auf und wurde selbstsicherer. Einige Nächte verbrachten wir in Tavernen, unterhielten uns bis in die frühen Morgenstunden, teilten Ansichten, Erfahrungen und Wünsche. Es wurde nie langweilig mit ihr. Und entgegen meiner Erwartungen und meiner Meinung zu Elfen, war sie einfach bodenständig, nett, frech wie ich in manchen Punkten. Es war einfach, einfach. Ich hatte so viel Spaß mit ihr und scheinbar lagen wir beide auf einer Wellenlänge. „Wie komisch das Leben doch manchmal ist“ dachte ich mir. „Immer die, von denen man anderes erwartet“. Darüber muss ich heute auch noch breit grinsen.
In einer Nacht beschlossen wir, dass ich ihr Zesk vorstelle, wir einen Abenteurertisch gründen, ihn fragen würden, ob er mitmachen will. Zwar konnte ich mir seine Antwort denken, aber sicher ist sicher. „Wir werden beide große Abenteurer“ kam es fast zeitgleich aus unseren Mündern. Wir sahen uns an und lachten. Und wir lachten viel zusammen. Auch dies gefiel mir gut an ihr. Ab diesem Zeitpunkt, wenn nicht gar ein wenig früher, war mir klar, Leandrie ist nicht nur eine kleine naive dumme Elfe … Nein … sie ist meine Freundin. Und auch dies nicht im romantischen Sinne.
Wenn ich nachts in meinem Bett lag, dachte ich lange darüber nach, ob mir Freundschaften mit anderen Völkern vielleicht einfach vorherbestimmt waren. Meinesgleichen zog ich selten an, und wenn, waren es komische Zeitgenossen, die ich schnell wieder loswerden wollte. „Eigentlich ist es doch auch scheißegal“, dachte ich mir. Ich hatte, wenn ich an Zesk und Leandrie dachte, ein wohliges Gefühl. Ein Gefühl von Zuhause sein, sich nicht verstellen zu müssen und tiefster Zufriedenheit. Immer schlief ich besonders gut ein, hielt ich an diesem Gedanken fest.
Natürlich trafen Leandrie und ich schnell auf Zesk, ich stellte beide vor, und sie verstanden sich gut. Zumindest glaube ich das. Wir erzählten von unserer Idee mit dem Abenteurertisch und Zesk wollte mitmachen. „Natürlich willst du das“ grinste ich ihm frech zu. Kaum vorgeschlagen, versuchte Zesk wohl das Oberhaupt der Truppe zu werden, machte merkwürdige Namensvorschläge, wie wir uns nennen könnten und war sich sicher. Leandrie und ich hingegen schauten uns nur fragend an und mussten lauthals loslachen.
Zesk als Anführer … wir beide lachten nur noch lauter und schüttelten mit dem Kopf. Braucht man überhaupt einen Anführer, wenn man auf Reisen geht? Das mussten wir wohl noch klären. Zesk bemerkte schnell, dass er keine Chance hatte und vertagte auch sein Vorhaben. So wie ich ihn kannte, würde er aber sicher nicht so schnell aufgeben und es erneut versuchen.
Ein paar Tage später trafen wir erneut auf Zesk. Er erzählte von irgendeinem Schatz, den er in Westfall vermutete. Wieder schien er sich sicher, erzählte zwischendurch irgendwas von Piraten und Verstecken zwischen Bäumen. Ich hatte keine Ahnung, wie er immer darauf kam. Wir drei schauten uns an, zogen uns um, packten ein paar Sachen und machten uns noch am selben Tag auf den Weg nach Westfall. Diesmal war es noch früh am Tag und hell. Lernten wir etwa dazu?
Wir verabredeten uns vor den Toren Sturmwinds und liefen dann zusammen los. Ich überließ Leandrie dem hirschartigen Zesk, ich wollte laufen. Wir plapperten auf dem Weg ununterbrochen, es schien, als würden wir drei uns schon viel länger kennen. Wieder musste ich breit grinsen. „Langsam wird’s doch“ dachte ich mir.
Nach kleineren Essenspausen erreichten wir einen kleinen Hügel. Inmitten dessen, ein Haus, ein paar Bäume. Es wirkte nicht mehr sonderlich belebt, karg wie gewohnt. Aber man hatte eine wunderschöne Aussicht auf das Meer, die wir erstmal eine Weile genossen. Dann hielten wir es nicht mehr aus, schließlich waren wir ja nicht zum Sitzen hier hergekommen.
Wir standen auf und schauten uns erstmal eine Weile um. Ich tapste in das leer stehende Haus, und wollte beiden einen Streich spielen.
Ich hörte die zwei draußen reden, wie man nun am besten vorgehen sollte, wo der Schatz sein könnte, wo man buddeln müsse. Leise lachte ich in mich hinein, legte mich auf den Boden, stellte mich schlafend und schnarchte. Schnell wurden die beiden auf mich aufmerksam, vielleicht machten sie sich sogar Sorgen, als sie mich auf dem Boden liegen sahen. „Himmelswillen Leyni“, sagte Zesk und ich musste mein Lachen unterdrücken. Er und Leandrie kamen näher, wohl um zu sehen, was mit mir los war. Erst als beide ganz nah neben mir standen, sprang ich auf und musste lachen.
Sie erschraken sich zu meiner Belustigung, Zesk machte ein paar Schritte nach hinten und Leandrie quiekte wie ein junges Schweinchen auf.
„Meine Güte Leyni“ zischte mir Leandrie zu. „Als wenn ich hier einfach einschlafen würde“ grinste ich breit und verließ das Haus. Böse waren mir beide nicht.
„Also, ihr sucht, ich leuchte“ gab ich beiden zu verstehen, meine Laterne hielt ich fest in den Pfoten. Mittlerweile war es schon dämmeriger geworden. Die beiden diskutierten eine Weile weiter, wie wir nun vorgehen sollten und kamen dann auf die Idee, Schritte zu zählen.
Zesk hatte davon gehört, dass der Schatz genau in der Mitte zwischen zwei Bäumen vergraben sein sollte. Die beiden Bäume sahen wir, aber wo genau die Mitte war? Schritte zählen klang also logisch. Ich hielt meine Laterne so weit nach oben wie ich nur konnte, und das Licht erhellte den Bereich gar nicht mal so schlecht.
Zesk lief einige Zeit zwischen den Bäumen hin und her, zählte eifrig, und blieb letztendlich an einem Punkt stehen, den wir dann als unsere Mitte auserkoren hatten.
„Hier müssen wir buddeln“ nickte er uns zu. Leandrie sah am Haus lehnend eine Schaufel, die sie sich schnell holte, Zesk wandelte sich und grub mit seinen Pranken. „Diese Gilneer waren praktisch“ dachte ich mir. Die beiden gruben und gruben, ich stand da und leuchtete. War doch auch eine wichtige Aufgabe …
Wider Erwarten klopfte Leandrie dann auf etwas holziges. Und es hörte sich anders an als ein Ast, eine Wurzel, ein Stein oder was auch immer man in tiefen Löchern so vermuten könnte. Beide schnauften vor Anstrengung und wir setzten uns an das ausgehobene Loch, Zesk griff hinein und holte eine Holzschatulle aus dem Boden.
Wir starrten uns mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen an. Hatten wir wirklich unseren ersten Schatz gefunden? Die ungleiche Chaostruppe, die sich in der Stadt fand? Wir konnten es kaum glauben.
Keiner von uns wollte das Ding sofort öffnen. Jeder nahm die Schatulle einmal in die Hand, schüttelte sie leicht, wohl gingen wir davon aus, dass sie leer sein müsse. Aber nein. Bei allen von uns klimperte es sacht aus dem Inneren. Völlig perplex stellten wir das Ding in die Mitte und starrten weiter. Und dann fiel Zesk auf, dass sie verschlossen war. Ein kleines, aber in die Jahre gekommenes Schloss hing vor der Schatulle. „Na toll“, brummte ich. Die Schatulle selbst wirkte noch erstaunlich massiv und robust, drauftreten oder kaputt schlagen machte keinen Sinn.
„Du bist doch Ingenieurin, kannst du da nicht auch Schlösser knacken?“ grinste Zesk Leandrie an. Im ersten Moment wirkte sie nicht sonderlich angetan von seiner Idee, wohl hatte sie es schon länger nicht mehr gemacht, und auch passendes Werkzeug hatte sie keins. Nach ein wenig Überredungskunst machte sie sich dann doch ans Werk. Mit einer kleinen Schaufel und einer Haarnadel gelang es dann, nach einigen Versuchen, die massive Holzschatulle zu öffnen. Direkt drückte sie mir in die Pfoten.
„Öffne du sie“ lächelte sie mir zu, ein wenig erschöpft wirkte sie langsam. Zwar hätte sie auch selbst nachschauen können, aber nun hatte ich das Ding in den Pfoten. Langsam öffnete ich den Deckel und bekam große Augen. Ich schaute beide kurz und entsetzt an.
„Ist da wirklich was drin?“, fragten beide mit leiser Stimme. Ich nickte und brabbelte vor mich her.
„Ein Ring mit komischen Runen darauf, ein paar Silbermünzen, Kaugummis und ein kleiner Dolch“. Ich schloss die Schatulle wieder und stellte sie ab. Wir schauten uns an, und mussten dann herzlich lachen. Wir hatten tatsächlich unseren ersten Schatz gefunden. Einen echten, keinen ausgedachten. Hatte Zesk also doch immer recht?
Waren es nicht nur seine Hirngespinste oder ausgeschmückte Geschichten? Und würde es den Schreiter, den wir damals nicht fanden, in Wahrheit doch geben?
So viele Fragen schossen mir mit einer Geschwindigkeit durch den Kopf, dass mir fast schwindelig wurde. Zum Glück nur fast.
Langsam dämmerte es schon wieder und wir beschlossen, uns wieder auf den Weg in die Stadt zu machen, um etwas zu trinken und zu essen. Natürlich blieb es an diesem Abend nicht nur bei einem Bier, und die Nacht war wieder länger, als ich es vorhatte. Bereuen tat ich nichts. Als ich zu Hause ankam, fiel ich völlig platt, aber glücklich ins Bett.
Die nächsten Tage in der Stadt verliefen unspektakulär. So dachte ich zumindest, bis der Tag der Tage kam. Vielleicht aber auch ein fälliger Tag, ich bin mir bis heute nicht ganz sicher. Leandrie und ich schlenderten durch die Stadt, uns ging es gut, alles schien wie sonst auch.
Und dann erschrak ich, konnte mich kaum rühren. Wir trafen auf eine Worgen, die eine Kugel bei sich hatte, die sprechen konnte. „Das darf doch nicht wahr sein“, brummte ich in mich hinein. „Magiedings“ verzog ich die Schnute.
Als mir wirklich bewusst wurde, dass das Ding irgendwie sprechen konnte, machte ich ein paar Schritte zurück und versuchte, mich wieder aus dem Gespräch zu ziehen. Leandrie, treudoof wie immer, blieb einfach stehen und plauschte, als wäre es das normalste der Welt.
„Spinnt die?“, dachte ich, lies sie aber machen. Langsam bildete sich eine kleine Traube aus anderen Bürgern der Stadt bei uns, und so versuchte ich mich langsam aus der ganzen Sache hinauszuziehen. Zugegeben, hatte ich mehr Angst, als ich in diesem Moment äußern wollte. Geheuer war es mir ganz und gar nicht und ich tapste langsamen Schrittes am Brunnen der Löwenruh entlang, um mich dann heimlich wegzustehlen.
Doch dann kam Sam auf mich zu, stellte sich neben mich und tat es mir gleich. Erst dachte ich, er wollte mir Beistand leisten. Wie sich herausstellte, wollte er mich nur aufziehen und unqualifizierte Kommentare von sich geben. Zur heiligen Wolkenschlange ging der Typ mir auf die Nerven.
Als Leandrie dann wieder zu mir kam, setzten wir unseren Weg fort. Wir beschlossen, uns an den Hafen zu setzen, um einfach mal durchzuatmen und zu schauen, ob die Bürger dieser Stadt ihre Sprache wiedergefunden hatten, oder wir immer noch den ersten Schritt machen mussten. Natürlich war es letzteres, wir konnten mittlerweile aber darüber lachen, und das nicht zu knapp.
Als Sam uns das nächste Mal an diesem Tag über den Weg lief, begrüßte er uns mit „Guten Tag, lüsterne Pandaren, lüsterne Elfe“. Wie hatte der kauzige, sich selbst überschätzende Typ, mit seinen Urinfarbenden Haaren eben zu uns gesagt? Sofort motzte ich los. „Was ein Spinner“ schnaufte ich und ließ Leandrie und Sam einfach stehen
Bis heute weiß ich nicht, wieso mich das so aus der Fassung brachte. Schmunzeln musste ich darüber dennoch.
Ich lief also ein wenig kopflos durch die Stadt und beschloss an diesem Tag diese Stadt zu verlassen. Mein Heimweh war groß, die Stadt nervte mich von Tag zu Tag und ich vermisste andere Pandaren schmerzlich. Yao hatte ich auch schon länger nicht mehr gesehen, und mir war alles egal. Ich wollte weg, einfach nur weg …
Als ich Leandrie wenige Stunden nach meinem Verschwinden wieder traf, erzählte ich ihr, dass ich nun meine Sachen packen werde, Krötchen mitnehmen und auf das nächste Schiff nach Pandaria gehen werde. Nur für ein paar Wochen.
„Ich komme mit“ baute sie sich mit einer Selbstsicherheit vor mir auf, als stünde ihre Entscheidung mehr als fest. „Wenn du willst“ schmunzelte ich. Und wie sie wollte. Als wir beide alles gepackt hatten, schleppten wir alles zum Hafen und nahmen wirklich das erste Schiff nach Pandaria.
An Bord musste ich breit grinsen, so breit, dass mir das ganze Gesicht weh tat. Ich stellte mich an die Reling, schaute den Wellen zu, atmete die Luft tief ein, und genoss einfach das Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Zwei lange Wochen verbrachten wir auf dem schaukelnden Monstrum.
Aber das war es Wert.
Krötchen schlief die meiste Zeit und wachte nur zum Fressen auf, oder wenn sie mal musste. „Gutes Tier“ lächelte ich. Trotzdem waren wir froh, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten.
Wir legten im Jadewald an. Ich schmiss meine Sachen einfach vom Schiff, grinste Leandrie zu und dann rannte ich wie eine kleine Pandaren bei einem Wettrennen. Ich freute mich so unglaublich wieder Zuhause zu sein, dass ich nicht woanders hin wusste, mit all den Gefühlen und rannte und rannte und rannte …