Poesie aus dem Wort: Leben. Einfach zu sprechen, unmöglich zu sein.
Eine Definition von Gebrochen, in einem Kontext, der für manch einen klar und für ein anderen unklar erscheinen kann.
Inhalt
Ein Satz reicht aus
Ein großer Baum – Inmitten eines prachtvollen Gartens. Die Blumen stehen in völliger Blüte – Reicht doch nur ein Satz aus, um diesen Garten umzugraben.
So stramm, so prächtig – Dieser Baum, den wir gesät haben. Mit vielen Ringen, erzählt es uns jene Geschichten, die keiner kennt. Da stehen wir, vor diesem Baum. ‘Wohin hätte ich abbiegen müssen?’ Ein Schrei, aus tiefster Seele, der Verzweiflung nahe. Was kann schon ein einfacher Baum von sich geben, der selbst nicht mal die Wege kennen kann.
Der Baum, mit seiner Krone, starrt auf einen hinab. ‘Wohin hättest Du denn abbiegen wollen?’ – Eisern, die Stimme, die da spricht. Von dem Innersten, was wir pflanzten und gegossen hatten. Klein und bekümmert, starren wir auf den Boden. ‘Nach links, als ich rechts ging. Gerade aus, als ich rückwärts war. Rechts, als ich links wollte?’ Zittert das kleine Stimmchen und wimmert im Unterton.
Der Baum lässt die Krone sprießen – Der Frühling bricht heraus. Es ist das Mal, an dem wir zur Geburt auf diese Welt gestoßen sind. Oder war es der Sommer, der Herbst, gar der Winter? ‘Was hättest Du gewollt, wohin Du gebogen wärst, was Du nicht bist?’, erwidert die Stimme des Baumes, in unserem Innersten.
‘Gelebt’, war die Antwort des Unseren, als wir vor uns selbst standen. Die Kronen wiegen in alle Richtungen, wie ein Windzug, der die Laufbahn ändern kann. In diesem Garten, da sprießen die Blumen, denen wir begegnet waren. Da sind jene Gräber, die wir mit unseren Händen gegraben hatten. Und da ist auch dieses Haus, dass nahezu verbrannt war.
‘Du hast gelebt. Jeden Frühling, jeden Sommer, jeden Herbst und jeden Winter. Dein Herz hat geschlagen. Du hast geatmet. Du hast gelebt, wie Du es wolltest. Und nun, stehst Du hier.’ Ein Baum, den wir unser Leben nennen. Jeder hat ihn in sich drin – Ob groß, ob klein, es ist unser Vermächtnis, der vergangenen Zeit.
Die Trübsale begannen
Die Krone, des Baumes, wirkt dunkler. Der Garten, in dem wir stehen, wirkt kälter. Das Blau am Horizont verschwindet in einem Grau. Und wir, fangen mit der Trübsal an, alles zu vergessen.
Jene Blumen, die wir so sehr geschätzt und gepflegt hatten, verlieren ihre Schönheit. Jedes Grab, das wir mit den eigenen Händen ausgehoben hatten, sinkt tiefer hinab, sodass wir es nicht mehr erreichen können. Und dieses Haus, was das Eigenheim war, wird spröde, fällt in sich zusammen.
Es ist ein Zyklus, den jeder durchmacht. Ab früher oder später. Diese schöne Blüte, welche das Herz damals höher schlagen ließ, lässt einen erstarren. Das Grab, wofür nicht einmal eine Träne floss, lässt uns hinab sinken auf den Boden – Und laut schreien. Es ist ein Unterschied, von dem, was damals war, zu heute.
Auch wenn wir rechts abgebogen sind, ändert es die Tatsache nicht, dass es nun nach links ging. Obwohl wir damals nach links gegangen waren, hat dieses Grab jetzt den linken Weg, für uns eingeschlagen. Wir wurden verrückt, weil diese Blume, die wir mal gepflanzt hatten, nicht erblühte. Aber nun, reißen wir den Samen heraus, der nicht sprießen wollte.
Es ist auch dieses Fundament, in diesem Haus, das wir eingerichtet hatten. Jenes wird nicht mehr geändert. Aber an den Wänden, da würden noch neue Schränke hinpassen. Das Fenster, mit einem wunderschönen Ausblick, wäre doch ein Blumengesteck ganz schön. Auch die Tür, müsste neu geölt werden – Dafür, finden wir jedoch keine Zeit mehr.
Wollen wir manches nicht erzählen
Die Stimme des Baumes, eindringlich und schwermütig, ‘Was ist aus all den Geschichten geworden, die nie erzählt werden sollten?’ Das kleine Etwas an den Wurzeln, seufzt leicht aus. ‘Manches wollen wir nicht erzählen, weil es keinen Grund dazu gibt.’
Ein lautes Lachen, des störrischen Baumes fällt auf das Wesen unter sich hinab. ‘Jede Geschichte, die wir nicht erzählen, endet in meinen Wurzeln. Sie erzählen ein Moment, in dem wir doch ein Gefühl übrig hatten.’ Sofort wird das Köpfchen geschüttelt – Einmal lauthals gegen das mächtige Wesen gesprochen, ‘Nein! Sie verletzen uns.’
Die Baumkrone weit über das kleine Wesen, ‘Es verletzt nur, weil wir es nicht überstanden haben. Weil es Worte gab, die wir erzählen wollten. Und jetzt, keine Zeit mehr dazu finden, sie zu erzählen. Das, kleines Wesen, sind die Narben. Das sind die Wurzeln, die wir schlugen, als wir Halt brauchten. Und ihn vergebens woanders suchten.’
Der Baum schmälert ein wenig, dabei die Äste, lässt die Sonne kurz scheinen. Verkrochen und versteckt, unter großen Wurzeln, wimmert dabei das kleine Wesen. ‘Meine Wurzeln sind ein Teil von mir. Das ein Ohr braucht, um meine Worte zu hören.’
Ein Regenschauer durchzieht diesen Garten, wischt dabei die Tränen des kleinen Wesens mit. Auch wenn die Krone so weit den Schutz bieten möge, huscht der Schauer vom leisen Schmerz am Herzen vorbei. Es ist zu spät, um jene Worte vor langer Zeit auszusprechen, aber nicht vergessen, es jetzt zu tun.
Im dichten Nebel verschwommen
Wir alle kennen es, dieses Gefühl, wenn nichts, was wir sehen, der Wirklichkeit entspricht. Es ist wie ein Spiegel, der uns beinahe in einen Abgrund zieht, aus dem kein Entkommen gilt. Und so zieht der Nebel hinein, lässt alles verschwommen, bis nichts mehr übrig bleibt.
Die Gedanken, die Erinnerungen – Das uns, was wir Erfahrung schimpfen. In die Wiege bekommen, verbleiben wir an diesem Punkt, bis zu unserem letzten Atemzug. Vergessen werden nur jene Dinge, die uns nicht weiter bringen. Aber wehe, ein Schmerz zieht ein, dann erinnern wir uns, selbst wenn die Narbe verheilt.
Wie viele zählen wir auf, von denen, die uns wichtig sind. Vergessen wir dabei immer die letzte Person: Uns selbst. Wir sagen, unsere Freunde, unsere Familie und gar unsere Träume, aber mit keiner Silbe erwähnen wir unseren Namen. Dann kommt der Punkt, wo alles nach einem Sinn schreit; ein Sinn, mit dem wir uns bereinigen können.
Wo fängt dieser Sinn an und wo hört er auf? In einer Person? In einer Tat? An einem Glauben, der nicht mal gesehen werden kann? Oder sind es die Kleinigkeiten, das leichte Lächeln, das wir vergaben? Den Trost, den wir gespendet hatten? Oder gar das kleine Kupfer, für jene, die nichts haben?
Die guten Taten, sie werden immer und immer wieder erzählt. Wie eine Dauerschleife, eines endlosen Goblinsgerätes. Kein An- oder Auskopf zu wählen, warten wir darauf, bis es seine letzte Melodie gespielt hat. Jede Träne, die wir dabei vergießen, endet in unserem Herzen. Wenn wir die Augen öffnen, wissen wir: Das Warten hatte je zu Anfang schon ein Ende.
Gibt es kein Entrinnen
Der große Baum, er steht da, beobachtet uns. Vergeblich kann er keine Hände zum Halten und keine Möglichkeit zu helfen. Das Einzige, was er kann, ist uns zu lauschen, vor dem, wovor es kein Entrinnen gibt.
Da liegen wir – Auf dem Rücken und starren hoch hinaus. Wie ein Vogel wollen wir sein. Mit kräftigen Flügeln über all das fliegen können. Wie ein Kaninchen wollen wir sein, in einen Bau verschwinden und nicht mehr hinauskommen. Wie eine Kröte wollen wir sein, dass bloß in einem Tümpel hinab sinken kann.
All das, wollen wir sein, um bloß dem zu entkommen, was wir nicht sehen wollen. Wir haben alles begriffen. Worte verstanden und auch die Taten, die nicht so schön waren, in uns verankern lassen. Keine Buße kann es gut machen – Für manches, was wir taten. Kein Gebet kann denen helfen, wovon wir etwas genommen haben. Und kein Windzug kann die Gefühle mitnehmen, die wir verursacht hatten.
Was beschimpfen wir also? Wie oft wollen wir fluchen? Und wie oft wollen wir um Gnade bitten, dass es ein Ende haben muss? Es sind unsere Entscheidungen gewesen, die auch die anderen beeinflusst haben. Ändern können wir es zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Keine Blume blüht jemals erneut so, wie sie einmal war.
Nur allein wir können das behüten, was in uns drin ist. Die Erinnerungen, die Gedanken, die Gefühle und somit auch unsere Zeit gemeinsam. Ob schön oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Das was zählt, ist in dem Moment: Das wir gelebt hatten.
Von dem Ende, das uns begleitet
All das, was wir nun sehen – Erstrahlt nicht mehr in satten Farben. So langsam verliert alles um uns herum ihren Glanz. Auch wenn wir so verbittert sind, um es zu verlangsamen. Wird es Zeit Abschied zu nehmen, von dem Ende, das uns begleitet.
Es ist kein Ende für jene, die zurückbleiben. Das, hat erst damit angefangen, wenn wir für immer diese Augen schließen werden. Irgendwann werden auch uns die Kräfte verlassen, damit wir dem Leben Lebewohl sagen. Vergeblich versuchen jenes zu verlängern, scheitert gerne einmal.
Wir haben gelebt, wir haben geliebt, geweint und geschrien. Das ist es, was unser Leben ausmachte. Die Existenz davon, dass es uns in anderen Leben, selbst nur für kurze Wurzeln, gegeben hat. Jedes Lebewesen schlägt in jemand anderes Wurzeln – Ob groß oder klein. Selbst wenn man mit Müh und Not versucht hat, sie im Keim ersticken zu lassen.
So auch unser Baum, mit unseren Wurzeln, tief verankert ist. So ist es nun Zeit, das Leben zu genießen. Den letzten Atemzug, die letzten Sonnenstrahlen oder die verhängnisvolle, dunkle Nacht. Irgendwo da gibt es ein Lichtfleck. Ein winziges Fleckchen, an dem wir uns dann ausruhen können. Für all die Narben, die Wunden, welche noch nicht geschlossen waren und für die Momente an denen wir glücklich waren.
Horcht auf, auf euer Herz. Es ist das Einzige, was noch schlagen wird für Euch. Selbst, wenn Euer Körper keine Bewegung mehr ausführen kann. Weint Eure letzte Träne und lächelt, bis es kein Morgengrauen gibt. Sobald Ihr von dieser Welt gegangen seid, lebt ihr in anderen Herzen weiter – Als stiller Begleiter, der sehnsüchtigen Einsamkeit.
Das Gedicht für das Leben
Zuletzt
Zuletzt was man im Leben tut,
was man verzeiht und bereut,
ist das, was man als erstes verstanden hat,
und als Letztes zählt.
Zuletzt was man geliebt hat,
was man vergessen und vermisst,
ist das, was man als erstes gewusst hat,
und als Letztes vergeht.
Zuletzt was man gehasst hat,
was man verachtet und verlässt,
ist das, was man als erstes erlebt hat,
und als Letztes geht.
Umarmung, Küsse oder Zweisamkeit
die einen bewegen,Zuletzt was man nahm,
was man wollte und vergab,
ist das, wonach man sich sehnte,
und doch nie bekam.
Zuletzt was man gefühlt hat,
was man gehörte und gehören wollte,
ist das was man als erstes beansprucht,
und als Letztes verliert.