Geschichten einer Abenteurerin – Band 17

Geschichten einer Abenteurerin - Band 17
Das siebzehnte Buch einer Reihe von Nacherzählungen zu den Erlebnissen von Kari Sha’thar. Dieses Buch trägt den Titel: "Kapitänin Spottdrossel - In den Händen der Piraten".

Kapitänin Spottdrossel – In den Händen der Piraten

Prolog

Dank einer glücklichen Fügung bekam ich von einem Freund ein Boot geschenkt und da gerade bei meiner Einheit der An’arkhana eher wenig los war, denn die Herrschaften hatten sich für die Forschung zurückgezogen, entschloss ich mich, diese Chance zu nutzen und zur See zu fahren. Nun sollte sich der geehrte Leser unter dem Boot kein großes Schiff mit mehreren Masten vorstellen, sondern eben ein kleines, gemütliches Boot, gerade groß genug, um vier Personen aufzunehmen und eine Ãœberfahrt nach Kul’tiras zu ermöglichen, jedoch keinesfalls auf einen anderen Kontinent. Ich hatte also keine Möglichkeit, die Geheimnisse des berüchtigten Piraten Weißbart zu erkunden, aber immerhin ein Gefährt, mit dem man gemütlich an der Küste entlang schippern und vielleicht hier und da das ein oder andere Abenteuer erleben konnte. Tatsächlich meldeten sich mehrere Leute bei mir, die gerne mit auf Abenteuer gezogen wären, aber ich entschied mich, die erste Fahrt alleine zu meistern. Meine Segelkünste waren alles andere als gut, hatte ich bisher doch nur eine recht kurze Einführung in die Seefahrt erhalten, aber wer nicht wagt, der hat bereits verloren. 

Mein Schiff hatte ich auf den Namen Sturmtanz, zu Ehren meiner Familie, getauft und nannte mich selbst Kapitänin Spottdrossel, solange ich mich auf meinem Boot befand. Wieso gerade dieser Name höre ich bereits den geneigten Leser fragen? Tatsächlich gibt es dazu eine Geschichte, doch die ist so lange, dass sie ein eigenes Buch würde füllen. Daher hier eine sehr knappe Kurzversion. 

Ich kannte die Schwarzfische schon, da war ihre jetzige Kapitänin nicht nur noch keine Kapitänin, sondern noch nicht einmal Bestandteil der Mannschaft. Damals waren die Schwarzfische noch keine redlichen Händler, sondern machten noch krumme Geschäfte und ich kam mit ihnen durch einen Auftrag in Kontakt. Da, wie wohl mittlerweile bekannt ist, ich mir kaum Namen merken kann, hatte ich auch den damaligen Mitgliedern Spitznamen verpasst. Das gefiel einem Schwarzfisch nicht, der mich wohl ärgern wollte und nannte mich Spottdrossel. Ich fand die Bezeichnung jedoch gar nicht anstößig, sondern irgendwie süß und behielt den Namen im Hinterkopf. Einige Zeit später hatte ich für die Falkenklingen einen kleinen Auftrag, in dem es darum ging, einen Händler am Hafen einzuwickeln. Dieser hatte Schmuggelgut und ich sollte ihn dazu bringen, mir dieses Zeug zu verkaufen, damit wir herausfanden, wo er sein Versteck hatte. Ich musste also improvisieren und mir in aller Eile einen Namen aus den Fingern saugen, denn mit meinem eigenen Namen wollte ich mich gewiss nicht vorstellen. Genau in dem Moment kam mir der Spitzname ins Gedächtnis und Kapitänin Spottdrossel war geboren, die zusammen mit ihrem Schlägertyp Deko, dem Händler einen Besuch abstattet und die Waren für ihr Schiff benötigte. Übrigens regte sich damals der etwas tumbe Deko tierisch auf, als geistloser Schläger dargestellt zu werden, obwohl er genau das war. Manche können halt der Wahrheit nichts in Auge sehen.

Der Auftrag war am Ende ein voller Erfolg, der Händler fiel darauf rein und die Schmuggelware konnte sichergestellt werden. Damals schwor ich mir, wenn ich jemals ein Schiff bekommen würde, ich würde als Kapitänin Spottdrossel in die Geschichten eingehen. Und daher der Name.

Inhalt

Kapitel 1 – Eine Seefahrt, die ist… abenteuerlich

Es war ein sonniger Tag, als ich schließlich in mein neues Boot stieg, das Segel hisste und schließlich aus dem Hafen steuerte. Ich hatte mir viele Gedanken gemacht, wohin ich als Erstes steuern sollte und mich am Ende für den Süden entschieden. Nicht weil dich dachte, er wäre so viel spannender als andere Gegenden, sondern weil ich so immer in der Nähe des Festlandes bleiben konnte. Die erste Überfahrt zu einer der großen Inseln wollte ich mir für später aufheben, wenn ich mehr Ahnung und Gefühl für das Segeln und das Meer hatte.

Und so ging es los, das Wetter war gut, das Wasser ruhig, alles gute Aussichten auf einen schönen Segelausflug. Halt nur nicht sehr abenteuerlich. Das schreckte mich jedoch nicht, es genügte mir anfangs einfach nur, über das Meer zu gleiten, das war Abenteuer genug.

Dank des günstigen Windes und der Wendigkeit des Bootes kam ich gut voran. Am Abend jedoch machte ich einen Stopp, fuhr näher an die Küste heran, nahm das Segel herunter und warf den Anker. Im Dunkeln zu fahren war alles andere als einfach und auch nicht ganz ungefährlich. Außerdem würde ich so kaum Schlaf bekommen, also wieso sollte ich mich jetzt schon quälen? 

Ich legte mich also hin und träumte von spannenden Abenteuern, als ich etwas unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Das Boot schaukelte gefährlich und ich dachte zuerst, ein Sturm wäre aufgezogen, doch als ich genauer hinsah, erkannte ich einen großen Schatten, der durch das Wasser glitt und bemerkte die weißen Segel. Ein Schiff war gerade recht nahe an mir vorbeigefahren und hatte mein Boot in der Dunkelheit vermutlich nicht einmal bemerkt. Ich hatte wohl Glück gehabt, dass das Schiff mich nicht gleich überfahren hatte. Das wäre eine wirklich bemerkenswert kurze Bootstour geworden. Aber wieso segelte ein großes Schiff so dicht an der Küste entlang, noch dazu bei Nacht und ohne Positionsleuchten, denn der schattenhafte Umriss wurde nur vom Mond beleuchtet. Ich hatte gelernt, dass die Schiffe nachts lieber Abstand von den Küsten hielten, damit sie nicht versehentlich auf Grund liefen, wegen eines Riffs oder einer Sandbank. Das machte mich neugierig und ich beschloss, dem Schiff so gut es geht zu folgen. Ich holte also schnell den Anker hoch und setzte die Segel. Das Schiff hatte einen guten Vorsprung, nutzte den Wind aber nicht in vollem Umfang aus, sonst hätte ich nie eine Chance gehabt, hinterherzukommen. Vermutlich wollte man kein noch größeres Risiko bei Nacht auf sich nehmen.

Ich folgte dem Schiff ungefähr zwei Stunden lang, dann bemerkte ich, wie die Segel eingeholt wurden und ich verlangsamte meine Fahrt ebenso. Als die ersten Sonnenstrahlen schließlich am Himmel erschienen, fiel der Anker und das Schiff hielt in einer kleinen Bucht. Ich segelte daran vorbei und hielt schließlich in der angrenzenden Bucht und ankerte dort.

Ich ging von Bord und schlich mich den Weg an Land zurück, bis ich das fremde Schiff wieder sah. An Deck war einiges los und man verlud gerade die Ladung auf ein kleines Beiboot. Ich sah ein kleines Lager mit mehreren verschachtelten Holzhütten, hölzernen Stegen und sogar einigen Kanonen, die in die Bucht wiesen. Es wehte keine Flagge über dem Lager, sodass ich nicht erkennen konnte, wer genau sich dort verbarg. Die Personen, die man erkennen konnte, waren jedoch Menschen. Ich kaute auf der Unterlippe und überlegte, ob ich die ganze Sache nicht auf sich beruhen lassen sollte, doch wie so häufig siegte meine Neugier. Ich musste einfach wissen, was die Leute da trieben. Ich schlich also an der Bucht entlang und näherte mich den Holzhütten. Die Gegend war schroff und felsig, der Bewuchs war eher spärlich, sodass die Versteckmöglichkeiten nicht sehr gut waren. Ich huschte also mehr von einem Stein zu einer Mulde, zu einem anderen Stein und so weiter. Das benötigte seine Zeit und außerdem hatte ich auch noch die falsche Kleidung an. Ich hatte mich für blau entschieden, eine Farbe, die auf dem Meer zu mir passte. Fand ich jedenfalls. Aber hier an Land war das eher suboptimal. Hier wären Brauntöne besser gewesen, aber das ließ sich jetzt nicht ändern, wenn ich nicht umdrehen und zu meinem Boot zurückkehren wollte. 

Die Fremden hatten tatsächlich Wachen aufgestellt, denn kurz bevor ich die Holzhütten erreichte, sah ich einen Kerl, der im Halbkreis hin und her ging und eindeutig so eine Seite des Lagers bewachte. Hinter einem großen Stein spähte ich hervor und beobachtete den Mann, der dort tatsächlich seiner Arbeit nachging und nicht gelangweilt da stand, wie es viele Wachen häufig taten. Ich konnte es den meisten nachfühlen, schließlich war Wache halten eine der ödesten Arbeiten, die man verrichten konnte. Ich fragte mich schon oft, ob die Händler, die diese Tätigkeit als etwas Spannendes beschrieben, tatsächlich davon überzeugt waren und somit vermutlich noch nie selbst diese Arbeit verrichtet hatten, oder ob sie dies nur als Anreiz für die unerfahrenen Tölpel aufführten. Nicht umsonst schliefen viele Wachen auf ihrer Arbeit ein, nicht weil sie wirklich müde waren, sondern weil es einfach furchtbar monoton war. Nichts zu tun und nur Löcher in die Luft starren? Das hielt niemand lange aus. Aber zurück zu besagter Wache. Der Kerl hatte typische Seemannskleidung an, ein hässlich geringeltes Oberteil und Hosen, dessen Enden abgerissen waren, vermutlich weil sie irgendwo mal hängen geblieben waren. Am Gürtel trug der Kerl einen Säbel. Das Auffälligste war wohl sein riesiger Zinken im Gesicht, weshalb ich ihn auch spontan als Nase taufte. Ich wartete einige Augenblicke ab und versuchte, eine Art Muster in seiner Bewegung zu erkennen. 

Jetzt mag wohl der geneigte Leser aufschreien und widersprechen. Keine Wache würde ein und denselben Weg wieder und wieder zurücklegen. Sie würden einfach zufällig hierhin und dorthin gehen. 

Ja und Nein. Mein Bruder hatte mir das einmal gezeigt und ich konnte das bereits mehrfach bestätigen. Viele glauben, sie würden einen zufälligen Weg gehen, der nicht berechnet werden kann, aber das stimmt nicht. Wir laufen lieber einen bereits benutzten Pfad entlang, als uns einen neuen zu suchen. Von der Logik her macht das auch Sinn, warum denn Energien verschwenden, um sich einen neuen Weg zu bahnen, wenn doch ein bereits benutzter Pfad daneben liegt? Von daher ist die Route einer Wache durchaus vorhersehbar. Vielleicht nicht gänzlich exakt, aber doch exakt genug, um eine Falle zu stellen oder eine Unaufmerksamkeit auszunutzen. 

Ich brauchte also nur ein wenig zu warten, dann hatte ich das grobe Muster des Kerls erfasst. Mir wurde sofort klar, an ihm vorbeischleichen würde nicht klappen. Dazu war er dann doch viel zu aufmerksam. Es blieb also nur eine andere Möglichkeit, wenn ich ungesehen ins Lager kommen wollte. Ich passte den richtigen Zeitpunkt ab, stand dann in gebückter Haltung auf, schlich mich hinter den Kerl, trat ihm in die Kniekehle und zog ihm anschließend den Knauf meines Dolches über den Hinterkopf. Er keuchte nur einmal kurz auf, bevor er zu Boden ging. Ich steckte meine Waffe wieder weg und durchsuchte ihn grob, fand aber nichts Aufschluss gebendes. Daher wandte ich mich also dem Lager zu. 

Bei den Holzhütten waren die Versteckmöglichkeiten wesentlich größer. Die Häuser selbst waren so ineinander verschachtelt, dass sie alleine schon prima Deckung boten, aber dazu standen hier überall noch Kisten und Fässer herum, hinter denen man sich ebenfalls prima verstecken konnte. Ich verschwand also im Gewirr und fühlte mich zunächst sicher. Ich wandte mich einer der Kisten zu, ich wollte wissen, was sich darin verbarg. Ich zog also wieder meinen Dolch und begann eine der Kisten aufzuhebeln. Da hörte ich Stimmen in der Nähe und unterbrach meine Arbeit.

» Schreit sie immer noch herum? « fragte eine Männerstimme. » Ja. « kam die einsilbige Antwort, von der ich nicht genau sagen konnte, ob sie von einer Frau oder einem Mann war. » Dann stopf sie in einen anderen Käfig oben an der Klippe. Da kann sie so viel schreien, wie sie will. « Das war wieder der Mann. Ich lugte hinter dem Stapel Kisten hervor, um zu erkennen, wer da sprach und wo die Personen standen. Mich ärgerte es, dass ich die beiden Sprechenden nicht vorher bemerkt hatte. Aber ich sah einfach niemanden. Ich huschte weiter, immer die Kisten als Deckung nehmen und da sah ich die Beiden endlich. Sie standen auf einem der hölzernen Stege. 

» Mach ich. Aber das wird sie nicht lange überleben. « kam die Antwort und dieses Mal wusste ich, es kam von einer Frau. Genauer von einer Zwergin. Der Kerl zuckte mit den Schultern. » Wenn sie nach ein paar Stunden nicht ruhig ist, dann können wir sie auch nicht gebrauchen. Dann lass sie häng… « sagte er und wurde plötzlich von einer Stimme hinter mir unterbrochen.

» Wer bist denn du? « Erschrocken drehte ich mich um und konnte im nächsten Augenblick nur noch ein Holzbrett sehen, wie es fast in Zeitlupe auf mich zu raste. Ich war trotzdem zu langsam und wurde direkt an der Schläfe getroffen. Ich torkelte noch zwei Schritte, bevor ich einen zweiten Schlag auf den Hinterkopf spürte. Dann war alles schwarz.

Kapitel 2 – Im Käfig

Als Erstes kam der Schmerz. Bohrend, beinahe pulsierend, kaum auszuhalten. Und er war direkt in meinem Schädel. Ich stöhnte auf, hob die Hände und griff mir an den Kopf. Ich spürte an der Schläfe etwas Feuchtes, wusste aber nicht, was es war, da ich immer noch die Augen geschlossen hielt. Ich befürchtete, wenn ich sie öffnete, dann würde mein Schädel einfach bersten. Nach einigen Augenblicken sank dann zum Glück der Schmerzpegel und ich konnte mich wieder etwas konzentrieren. In dem Moment hörte ich eine Stimme.

» Schau mal an, das neugierige Mäuschen ist aufgewacht. « Daraufhin hörte ich einen anderen Mann rau lachen. Ich drehte den Kopf und öffnete vorsichtig die Augen einen Spalt, um den Sprecher erkennen zu können. Im nächsten Moment fuhr ich mit dem Oberkörper hoch. Doch das war alles andere als vorteilhaft, denn sofort fing der Boden unter mir an zu schwanken. Tatsächlich bemerkte ich, dass das Schwanken nur zum Teil auf meinen malträtierten Schädel zurückzuführen war, denn der Boden schwankte wirklich. Ich erstarrte in der Bewegung und blickte mich nun vorsichtiger um.

Ich saß in einem Käfig, gerade groß genug, um aufrecht sitzen zu können und breit genug, dass ich die Beine ausstrecken konnte. Das alleine war schon beunruhigend, doch dazu kam noch, dass auch der Boden nur aus Gitterstäben bestand und ich dadurch hinunterblicken konnte. Und der Anblick war dann richtig erschreckend, denn ich blickte auf einen Abgrund, der gut zwanzig Schritte in die Tiefe ging. Der Grund bestand aus aufgewühlten Wasser, das an die Felswände klatschte und immer wieder Riffe offenbarte, die deutlich machten, dass ein Absturz hier absolut tödlich war. Als ich mich schließlich von dem Anblick losreißen konnte, besah ich mir meine restliche Lage genauer.

Ich hing also in einem Käfig über dem Abgrund einer Klippe. Ein stabil wirkender Holzbalken, an dessen Ende sich eine dieser Rollen, wie sie auch auf Schiffen benutzt wurde, befand, über die ein dickes Tau lief, das meinen Käfig hielt. Wie die Konstruktion genau funktionierte, verstand ich im ersten Moment nicht, bis ich am anderen Ende des Holzbalkens das Gelenk entdeckte. Im Grunde war die Konstruktion nicht anders wie ein Ladekran, wie man ihn im Hafen von Sturmwind überall sah, nur eben kleiner. Außerdem gab es davon hier nur zwei und der andere war auch in Benutzung. Neben mir hing ein zweiter Käfig und ich erkannte darin eine Menschenfrau.

» Mir scheint, dein neugieriges Mäuschen hat es die Sprache verschlagen. « höhnte der Kerl, der vorher laut gelacht hatte. Der andere war der Sprecher, den ich mit der Zwergin hatte reden sehen. Genau betrachtet sah er nicht einmal schlecht aus und war im Gegensatz zu seinem Kameraden sogar gepflegt.

» Ich vermute mal, du bist der Schlaue hier, hmm? « fragte ich schließlich und schaute den Schönling an. » Wieso bin ich hier in diesem Käfig? « 

Der Kerl lächelte. » Da, siehst du? Sie kann doch reden. « meinte er zu seinem Kamerad und schließlich zu mir gewandt » Du bist in dem Käfig, weil du einen meiner Männer niedergeschlagen hast. Und weil du gar nicht hier sein dürftest. Ganz einfach. « 

» Schade, dass der wieder aufstehen konnte. « murmelte die Frau in dem anderen Käfig und ich warf ihr einen kurzen Seitenblick zu und musste dabei schmunzeln.

» Und was geschieht jetzt mit mir? « fragte ich schließlich weiter.

» Nichts « antwortete der Schönling einfach. Ich schaute irritiert, aber da war ich wohl nicht die Einzige. Der andere Kerl offenbarte eine beachtliche Zahnlücke, während sein Mund einen Augenblick offen stand. » Wie? Du willst sie nicht verkaufen? « fragte er dann und nahm mir eine weitere Frage ab. Der Schönling schüttelte den Kopf. » Schau sie dir doch an. Die ist gar nicht stark genug, um in den Minen zu arbeiten. Und sonst ist ihr nicht zu trauen. Also bleibt sie da, wo sie ist. « Damit tippte er sich mit zwei Fingern als Gruß gegen die Schläfe und blickte uns Beide in den Käfigen an. » Schönes Restleben wünsche ich noch. « Damit drehte er sich um und entfernte sich, gefolgt von seinem Gefährten von uns. Die Menschenfrau neben mir fuhr auf und schrie » Du Bastard! So kommst du nicht davon. Wenn ich dich in die Finger kriege! « Sie schrie noch einige weitere Beleidigungen, doch nichts schien die beiden Kerle zum Umdrehen zu bewegen, oder überhaupt eine Reaktion zu entlocken, und schon bald waren wir alleine. Ich nahm eine Bestandsaufnahme vor, die war nicht sehr rosig, aber auch nicht völlig schlecht. Man hatte mir alles an Ausrüstung abgenommen, selbst die Stiefel. Ich war nur noch mit meiner Hose und einem Hemd bekleidet. Meinen Gürtel hatten sie mir auch abgenommen. Nur meine Armschienen hatten sie mir gelassen. Das war schon mal der erste Fehler gewesen, dachte ich zufrieden und fasste mir an den Zopf. Die Haare waren unordentlich, aber mein Haarband war noch da. Und das war dann der zweite Fehler, den die Kerle gemacht hatten. 

Ich besah mir das Schloss am Käfig genauer. Es war recht schlicht gebaut, aber stabil. » Das bekommt man nicht auf. « wurde ich in meiner Ãœberlegung unterbrochen. » Ich hab schon versucht, es aufzubrechen, aber nichts erreicht. «  Ich blickte zu der Frau im Nachbarkäfig.
» Kommt vielleicht daher, dass du noch nicht das richtige Werkzeug hattest. « meinte ich grinsend, zog aus dem Haarband meinen gebogenen Dietrich hervor und ließ das kleine Messer aus der Armschiene mir in die Hand springen. So bewaffnet, machte ich mich daran, das Schloss zu knacken.

» Man hat dir nicht alles abgenommen? « fragte die Frau ungläubig und ich zuckte mit den Schultern. » Wenn man weiß, wo man es richtig versteckt… und jetzt pssst, ich muss mich konzentrieren. « erwiderte ich. Es dauerte nicht lange, bis ich schließlich das Schloss geknackt hatte. Dietrich und Messer verschwanden wieder, woher sie gekommen waren, dann stieß ich die Tür des Käfigs auf und ich begann, über den Abgrund an dem Holzbalken entlang zu hangeln. Zu behaupten, ich hätte kein mulmiges Gefühl gehabt, so in zwanzig Schritt Höhe an einem Stück Holz zu hängen, wäre gelogen. Aber es hielt mich trotzdem nicht davor ab, es zu tun. Und es dauerte nicht lange, da hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen. 

» Hey, du lässt mich hier doch nicht hängen, oder? « fragte die Frau und ich musste kurz grinsen. » Keine Sorge, Schreihals. Das hatte ich nicht vor. «

Kapitel 3 – Klar Schiff zum Gefecht

Nachdem ich die Frau gerettet hatte, stellte sie sich als Kapitänin Soundso vor. Also sie nannte schon einen richtigen Namen, aber wie üblich konnte ich mir diesen nicht merken. Sie hieß also weiterhin Schreihals. Aber interessant war, dass sie eine Kapitänin und mit ihrer Mannschaft auf dem Weg ins Schlingendorntal war, um dort eine Expedition zu leiten. Dabei waren sie überfallen worden. Ihr Schiff wurde versenkt, nicht bevor die Piraten alles Wertvolle von Bord geschafft und die Kapitänin und ihre Mannschaft in einen kleinen Raum gesperrt hatten. Sie wollten alle an irgend so einen Minenbesitzer verkaufen, der immer neue Arbeiter suchte. Und in den Minen würde niemand mehr nach ihnen suchen.

Doch Schreihals hatte sich wohl als zu unbequem für die Piraten herausgestellt, weshalb man sie in dem Käfig eingesperrt hatte. Jetzt jedoch waren wir frei und bereit, den Piraten die Suppe ordentlich zu versalzen. Ich dachte mir einen Plan aus und teilte diesen mit Schreihals. Sie sollte ihre Mannschaft befreien, immerhin kannte sie ja den Ort, wo diese gefangen gehalten wurden. Dann sollte sie mit dieser an Bord des Piratenschiffs gehen und die Kanonen auf den Unterschlupf richten. In der Zwischenzeit würde ich die Piraten ablenken, sodass sie den Ausbruch nicht mitbekommen. Und wenn sie es endlich kapierten, dann sollte es zu spät sein. Gesagt, getan.

Wir schlichen von der Klippe herunter, wieder zum Piratenunterschlupf. Auf dem Weg dahin überlegte ich mir, was ich machen könnte, um die volle Aufmerksamkeit der Seeräuber zu erlangen. Ich beschloss, zuerst einmal die Meute ein wenig ausdünnen, bevor ich mich zu ihrem Ziel machte. Dazu benötigte ich jedoch eine Waffe, denn mit bloßen Fäusten würde ich keinen Blumentopf gewinnen. Da man mir alle meine Waffen abgenommen hatte, musste ich hier auf die Schnelle etwas finden. Das Erste, was ich greifen konnte, war ein Kantholz von ca. einem Schritt Länge. Das musste reichen, befand ich und schwang es ein paar Mal durch die Luft. Wir trennten uns schließlich und während Schreihals zu ihrer Mannschaft schlich, streifte ich durch die überall herumstehenden Kisten, auf der Suche nach irgendwas brauchbaren.

Der erste Kerl, der Pech hatte, mir über den Weg zu laufen, war Nase mit seinem Ringelhemd. Er starrte mich erschrocken und überrascht an. Man merkte richtig, wie er sich fragte, wie ich es denn geschafft haben könnte, aus dem Käfig zu kommen. Das brauchte seine Zeit. Erst als er die Frage nicht lösen konnte, erkannte er, dass er doch besser seine Kumpanen alarmiert hätte, aber da war es bereits zu spät. Ich hatte ihm meinen improvisierten Knüppel bereits einmal quer durchs Gesicht und dann auf seinen Hinterkopf knallen lassen und er ging ohne ein weiteres Wort zu Boden. Zufrieden betrachtete ich meine Waffe. Daraus ließ sich vielleicht etwas auch für später machen.

Ich stromerte weiter durch das Labyrinth aus Kisten und fand noch zwei weitere Kerle, denen ich eine Kostprobe meines Knüppels verabreichen konnte. Schließlich stand ich vor der Hütte, die mir Schreihals vorher beschrieben hatte. Hier sollte ich den Schönling, der zugleich auch der Kapitän dieser Piraten war, finden. Und hoffentlich auch meine Ausrüstung, denn ich hatte nicht vor, hier zu verschwinden, ohne meine Waffen wieder an mich zu bringen. 

Ich schlich zur Tür und lauschte. Von drinnen waren die Stimmen von drei Personen zu hören, leider zu leise, als dass ich etwas verstehen konnte. Aber drei Gegner und ich hatte nicht alle meine Waffen, sondern nur einen Knüppel? Das war gewagt. Andererseits, wer nicht wagt, hat schon verloren. Ich kaute kurz nachdenklich auf meiner Unterlippe herum und zuckte schließlich mit den Schultern. Ich musste einfach nur schnell sein, dann würde es schon klappen. Ich atmete also noch einmal tief durch, griff nach der Türklinke und riss die Tür auf, um direkt danach in die Hütte zu stürmen.

Es befanden sich nicht drei, sondern fünf Personen im Raum. Aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. Ich musste handeln. Ein Tisch in der Mitte nahm den Großteil des Raumes ein, darauf befand sich eine ausgebreitete Karte, die von zwei Kerzenständern – mit brennenden Kerzen – gehalten wurde. Außerdem stand dort noch eine bauchige Rumflasche und mehrere Gläser. Die Personen, bei denen es sich um vier Menschen und eine Zwergin handelte, standen um den Tisch herum verteilt und blickten mich überrascht an. Im hinteren Bereich des Raums sah ich noch ein Bett, einen Schrank und eine Truhe.

Ich hatte nur einen kurzen Augenblick der Ãœberraschung, aber den musste ich nutzen, wenn ich eine Chance haben wollte. Ich machte zwei schnelle Schritte in den Raum hinein und holte aus. Zack. Treffer im Gesicht. Ich nahm mir nicht die Zeit, mein Ergebnis genau zu beobachten, sondern machte direkt weiter. Mein improvisierter Knüppel fuhr herum und traf den nächsten Kerl. Dieser hatte seine Arme zur Abwehr nach oben gerissen und diese bekamen nun das Kantholz mit voller Wucht ab. Er krümmte sich vor Schmerz und ich nutzte die Chance eiskalt aus. Ein wuchtiger Hieb von oben traf den Kerl am Hinterkopf, als er sich gerade vorbeugte. Dass seine Stirn danach noch mit dem Tisch kollidierte, sah ich schon nicht mehr, denn ich stürmte wie eine Furie weiter auf den nächsten Gegner. Dieser hatte bereits seinen Säbel halb aus der Scheide gezogen, bevor er einen heftigen Schlag auf die Finger bekam und mehrere davon vermutlich brachen. Er schrie auf, aber ich war unerbittlich und prügelte weiter auf ihn ein, bis er zu Boden ging. Jetzt waren nur noch der Schönling und die Zwergin da. Diese beiden hatten aber genug Zeit gehabt, sich von ihrer Ãœberraschung zu erholen, waren vom Tisch zurückgewichen und hatten ihre Waffen gezogen. Schönling einen Säbel, die Zwergin einen Hammer. Und ich war immer noch nur mit einem improvisierten Knüppel bewaffnet. Gegen zwei. Keine gute Voraussetzung, aber ich war schon längst über jede Chancen-Kalkulation hinaus. Ich packte das Erstbeste, dem ich habhaft werden konnte – in diesem Fall die Rumflasche – und schleuderte sie auf die Zwergin. Diese war nicht schnell genug, dem Geschoss auszuweichen und so knallte die Flasche mit einem dumpfen Bonk an ihren Schädel. Die Flasche hielt der Erschütterung stand und überstand sogar den Aufprall auf den Boden. Sie war wohl sehr massiv. Bei der Zwergin sah es anfangs auch so aus, als würde sie den Treffer einfach so wegstecken. Sie blickte mich einen Moment aus großen Augen an und erst dann erschlaffte ihr Körper, sie verdrehte die Augen und ging stumm zu Boden.

» So. Und nun zu dir… « meinte ich zum Schönling und meine Stimme war dabei zu meinem eigenen Erstaunen völlig ruhig, dabei kam es mir so vor, als müsste gleich mein Herz zerspringen. Ich spürte in meinem Körper schon das heftige Prickeln, den Rausch, der bei mir in Gefahrensituationen einsetzte. Ich war mir todsicher diesen Piraten ohne Mühe besiegen zu können, obwohl er einen Säbel trug und ich nur ein schrittlanges Kantholz. Und irgendwas musste in meinen Augen zu sehen sein, dass der Schönling auch davon überzeugt war. Oder vielleicht war es auch einfach die Tatsache, dass ich gerade vier seiner Kameraden innerhalb von nur wenigen Augenblicken niedergemacht hatte und diese, wenn sie noch Töne von sich gaben, nur stöhnten.

» W… wer… bist du? « stotterte er unsicher und ich war fast versucht, ihm irgendwas ziemlich Dummes, wie » Dein schlimmster Albtraum « oder so was von mir zu geben. Aber um ehrlich zu sein, mir fiel in dem Moment auch nichts besonders Gutes ein, daher kam am Schluss nur ein » Jemand, der dir jetzt eine ordentliche Tracht Prügel verpasst. « heraus. Und das war alles andere als gut, denn dadurch brachte ich ihn nicht weiter aus dem Gleichgewicht, sondern verursachte das Gegenteil. Er straffte sich und griff an. » Das wollen wir mal sehen!« tönte er schon wieder großspurig. Sein Angriff war alles andere als raffiniert. Ich parierte den Schlag, merkte jedoch, dass das alles andere als gut für meine Waffe war, denn ein guter Teil vom Holz splitterte ab. Das bemerkte auch der Schönling und grinste triumphierend, sich eines Sieges sicher. Aber damit war er bei mir an die Falsche geraten. Er schlug erneut zu, doch dieses Mal parierte ich nicht nur den Schlag, sondern stürmte dabei direkt auf ihn zu. Ich hörte das Holz meiner Waffe splittern, kurz bevor meine linke Schulter mit dem Schönling kollidierte. Ich merkte es sofort, wie mein Oberarmknochen aus der Pfanne sprang und gleich darauf, der furchtbare Schmerz zu spüren war. Aber mein Treffer hatte auch beim Schönling Spuren hinterlassen. Meine Schulter war auf seiner Brust gelandet, hatte ihm die Luft aus den Lungen gepresst und zurücktaumeln lassen. Doch da war sein Stuhl, den er nicht sah und daher ins Stolpern geriet und sich schließlich der Länge nach hinlegte. Seine Klinge schlitterte mehrere Schritte weit weg.

Ich verzog vor Schmerz das Gesicht, aber eine ausgekugelte Schulter war bei mir nichts Neues. Deshalb trug ich regelmäßig einen Schulterpanzer, also zumindest für die linke Schulter. Da man mir aber meine Rüstung abgenommen hatte, hatte ich diesen Schutz jetzt eben nicht. Aber so eine Verletzung hielt mich deshalb nicht auf. Als der Schönling ansetzte, wieder aufzustehen, trat ich ihm heftig in die Seite, sodass er wieder zu Boden ging. 

» Bleib liegen… « brummte ich, doch er versuchte es erneut. Daher holte ich mit dem Knüppel aus. » Bleib… verdammt… nochmal… liegen… « brüllte ich und bei jedem Wort senkte sich meine Waffe, bis sie bei dem letzten Schlag den oberen Teil verlor. Das Holz war jetzt höchstens noch einen halben Schritt lang und am Ende standen vereinzelte, scharfkantige Holzfasern ab. Aber endlich blieb der Schönling still liegen. Ich atmete schwer und blickte mich im Raum um, der sich in nur wenigen Augenblicken in ein Schlachtfeld verwandelt hatte. Ich hörte leises Stöhnen, ansonsten war es jedoch ruhig. Ich ging zum Schrank hin, biss mir auf die Lippen und rammte meine Schulter dagegen, bis der Oberarmknochen wieder in die Pfanne zurücksprang. Dabei traten mir die Tränen vor Schmerzen in die Augen und ich brauchte einige Zeit, bis ich wieder normal atmen und denken konnte.

Dann jedoch öffnete ich den Schrank und war erfreut, das meiste meiner Ausrüstung wiederzufinden. In der Kiste daneben fand ich schließlich den Rest. Aber Zeit zum Anziehen nahm ich mir nicht, ich schnallte nur meinen Gürtel um, und nahm die anderen Sachen in die Hand. Gerade als ich mich abwenden wollte, regte sich Schönling schon wieder und hob den Kopf mir entgegen. Ich konnte es mir nicht verkneifen und semmelte ihm noch eins mit dem Holz über. Dabei erwischte ich jedoch auch sein Gesicht und hinterließ, durch die scharfkantigen Holzfasern, einen blutigen Streifen auf seiner Wange.

» Ups… «, meinte ich, als der Schönling wieder zusammenbrach. Ob das eine Narbe hinterlassen sollte? Ich zuckte mit den Schultern und griff beim Herausgehen noch nach der Karte, die auf dem Tisch lag. Draußen flitzte ich Richtung Schiff und atmete erleichtert auf, als ich Schreihals mit ihrer Mannschaft sah, wie sie das Boot gerade flott machten. Ich rief ihnen zu, dass ich mich zu meinem Boot aufmachen würde und setzte dies auch gleich in die Tat um. Gerade als ich die Segel setzte, hörte ich in der Ferne das Donnergrollen von Kanonen und musste grinsen. Schreihals würde wohl nicht viel vom Piratenunterschlupf übrig lassen. Zufrieden segelte ich im untergehenden Sonnenschein neuen Abenteuern entgegen.

Kari Sha’thar


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